Als Niles nach Weißensee kam
An den großen Betrieb in Weißensee erinnert heute kaum noch etwas

Nur noch die einstigen Industriegebäude in der Mitte des Bildes erinnern heute an den einst größten Industriebetrieb in Weißensee. | Foto: Jürgen Kirschke/ Weißenseer Heimatfreunde.
  • Nur noch die einstigen Industriegebäude in der Mitte des Bildes erinnern heute an den einst größten Industriebetrieb in Weißensee.
  • Foto: Jürgen Kirschke/ Weißenseer Heimatfreunde.
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Vor 100 Jahren, am 9. Oktober 1920, begann der Umzug eines Großbetriebes nach Weißensee, der den Ortsteil in den folgenden Jahrzehnten entscheidend prägen sollte: die Deutschen Niles-Werke.

Der verlorene Erste Weltkrieg hatte auf Weißensee erhebliche Auswirkungen. Das damalige Stahlwerk an der Roelckestraße musste schließen, und das größte Unternehmen am Ort, die Kugellagerfabrik Riebe, war in Liquidation geraten. Der MOAG Maschinenfabrik Oberschöneweide AG dagegen war die Materialschlacht des Krieges gut bekommen, ebenso der dortigen AEG, die in Schöneweide am Spreeufer expandieren wollte. Die MOAG musste deshalb Platz machen. Sie zog nach einem Beschluss ihrer Aktionärsversammlung nach Weißensee.

Die geschlossenen Riebe-Werke boten genügend Fläche für das Unternehmen, dass sich fortan Deutsche Niles-Werke Weißensee nannte. Der Umzug war für Weißensee ein Glücksfall. Viele Facharbeiter, die bei Riebe arbeitslos geworden waren, konnten bei Niles wieder ihrer Tätigkeit nachgehen. Das Unternehmen überstand in der Folgezeit die Weltwirtschaftskrise recht gut. Niles war stark in das „Russengeschäft“ involviert. Die Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR gediehen, und die Russen hatten einen riesigen Bedarf an Maschinen.

Der Betrieb konnte in der Folgezeit durch die Übernahme von Einrichtungen außerhalb Berlins erweitert werden. Für den NS-Staat entwickelte sich Niles dann zu einem wichtigen Rüstungslieferanten und Vorzeigebetrieb. Dazu trugen der Bau des „Gefolgschaftshauses“ an der Gehringstraße ebenso bei wie der Bau der Siedlung in Malchow. Niles wunde nach und nach zum größten Industriebetrieb Weißensees.

Mehr als 23.000 Mitarbeiter

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm die Rote Armee den Betrieb. Erst 1949 übergaben die sowjetischen Behörden ihn wieder an deutsche Stellen. Er wurde zum Volkseigenen Betrieb (VEB). Dieser erhielt 1952 den neuen Namen „Großdrehmaschinenbau 7. Oktober“. Mit seiner Produktionspalette wurde er zu einem der bedeutendsten Exporteure in das Ostblock-Wirtschaftsgebiet. Unter dem Warenzeichen Niles exportierte der Weißenseer Betrieb später in mehr als 45 Länder der Erde. Schließlich wurde das Werk in Weißensee Stammbetrieb eines ganzen Kombinates, das mit mehr als 23.000 Mitarbeitern etwa 2,8 Milliarden DDR-Mark umsetzte.

Im Jahr 1990 wurde auf Grundlage des „Treuhandgesetzes“ die Niles Industrie Holding gegründet, die ursprünglich 16 operative Beteiligungsgesellschaften und neun Einzelgesellschaften umfasste. Schon bald lösten sich alle Unternehmen von dieser Bindung. Zurück blieb der Weißenseer Betrieb, der wieder den Namen Niles angenommen hatte. Er versuchte Mitte der 90er Jahre durch ein Zusammengehen mit der Zehlendorfer Firma Fritz Werner einen Neuanfang, der jedoch 1996 fehlschlug. Eine Coburger Firma übernahm den Namen und wesentliche Bestandteile des Produktionsauftrages. Sie verlegte schließlich den Betriebssitz nach Marzahn. An das Unternehmen, das so viele Jahrzehnte das Leben in Weißensee mitbestimmte, erinnert heute im Ortsteil kaum noch etwas, außer die einstigen Industriebauten.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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