„Diese Stadt ist so voll von Geschichten“
Anfang des Jahres übernahm Peter Schink die Chefredaktion der Morgenpost

Peter Schink studierte Journalismus an der Ludwig-Maximilians-Universität München und besuchte die Deutsche Journalistenschule. Er arbeitete für die “Welt” und gründete 2009 die Agentur Doppelstern mit, die Medien und Verlage in Sachen Digitalisierung berät. Seit Oktober 2018 war er stellvertretender Chefredakteur bei t-online. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Berlin. | Foto: Reto Klar
  • Peter Schink studierte Journalismus an der Ludwig-Maximilians-Universität München und besuchte die Deutsche Journalistenschule. Er arbeitete für die “Welt” und gründete 2009 die Agentur Doppelstern mit, die Medien und Verlage in Sachen Digitalisierung berät. Seit Oktober 2018 war er stellvertretender Chefredakteur bei t-online. Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Berlin.
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Seit dem 1. Januar ist Peter Schink Chefredakteur der Berliner Morgenpost. Mitten im Wandel von einer gedruckten Tageszeitung zum reichweitenstarken Nachrichtenportal übernimmt er die Leitung der großen Berliner Traditionsmarke. Berliner-Woche-Redaktionsleiter Hendrik Stein sprach mit ihm über die vor ihm liegenden Herausforderungen und die Bedeutung des Lokaljournalismus in der digitalen Welt.

Angesichts der 125-jährigen Geschichte der Morgenpost treten Sie ein großes Erbe an. Was bedeutet das für Sie persönlich?

Peter Schink: Ja, so eine lange Geschichte macht schon demütig. Man sagt ja über den ersten Chefredakteur Arthur Brehmer, er habe seine Arbeit vor allem im Café erledigt. Ich bevorzuge dann doch mehr die Präsenz im Büro. Allerdings ist die Aufgabe des Chefredakteurs heute viel umfassender als damals. Die Digitalisierung spielt eine erhebliche Rolle, deshalb sind Chefredakteure heute nicht nur Publizisten, sondern auch Manager des Medienwandels.

Sie kommen von einem rein digitalen Nachrichtenportal. Fünf Jahre lang waren Sie bei t-online stellvertretender Chefredakteur. Zudem gelten Sie als Experte für digitalen Journalismus. Ist Ihr Wechsel zur Morgenpost ein klares Signal für eine stärkere Digitalisierung der journalistischen Angebote?

Peter Schink: Auf jeden Fall ist die Digitalisierung für eine Zeitung wie die Morgenpost eine große Herausforderung. Wir haben viele Leser, die uns gerne gedruckt lesen, und müssen zugleich viele Menschen begeistern, uns digital zu lesen, zu hören oder zu sehen. Die wirtschaftliche Grundlage der Morgenpost liegt künftig vor allem im Digitalen. Im Kern aber müssen wir ein Stück weit neu definieren, warum die Menschen die Morgenpost nutzen wollen. Dazu ist es nötig, dass die Berliner Morgenpost wie eh und je großartige Geschichten erzählt. Zugleich aber ist das Digitale viel mehr serviceorientiert. Nützliche Tipps für die Freizeit oder persönliche Ratgeberstücke sind viel wichtiger als früher.

Die gedruckte Morgenpost am Sonntag wurde kürzlich eingestellt. Welche Gründe gab es dafür?

Peter Schink: Die Entscheidung hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Leicht gefallen ist uns das nicht. Wenn aber die Mitbewerber am Sonntag keine Zeitung mehr drucken, können auch wir am Sonntag nicht mehr zuverlässig alle Haushalte beliefern.

Wie kompensieren Sie den Wegfall der Ausgabe?

Peter Schink: Wir kompensieren den Wegfall nicht nur, wir haben uns für das Wochen-ende ein völlig neues Konzept überlegt. Am Sonnabend ist die Ausgabe künftig deutlich umfangreicher mit mehr Tipps, mehr Kolumnen und insgesamt mehr Lesestoff. Am Sonntag machen wir dann die normale Ausgabe, sogar mit mehr Sport als früher, nur eben ausschließlich im E-Paper.

Die Zukunft des Journalismus ist digital. Das bezweifelt in der Branche wohl niemand. Vor welche Herausforderungen stellt Sie das heute?

Peter Schink: Es geht damit los, dass wir parallel eine gedruckte Ausgabe und eine Website produzieren. Dann müssen wir im Digitalen natürlich ganz anders erzählen, mit Videos, Podcasts, Newslettern, aber auch in Social Media. Die Geschichten, die wir erzählen wollen, sind aber natürlich die gleichen wie bisher. Und dann verkauft sich die Zeitung im Digitalen nicht mehr über die Titelstory. Viele Leute kommen heute über Google, da lesen sie im Zweifelsfall irgendeine Geschichte zuerst, die früher nur eine kurze Meldung irgendwo im hinteren Teil war.

Sie wollen einen Leserbeirat für die Berliner Morgenpost installieren. Welche Bedeutung wird diesem Gremium zukommen?

Peter Schink: Ich erhoffe mir vom Leserbeirat vor allem, dass er uns noch besser zeigt, was die Leser von der Zeitung erwarten. Vielleicht bekommen wir auch die eine oder andere kluge Idee und natürlich jede Menge Feedback, Kritik und Anregungen. Wir haben schon fast 200 Bewerbungen von Lesern gesammelt. Das allein ist schon ein großer Erfolg für uns.

Bei der Gründung der Berliner Morgenpost 1898 sagte Chefredakteur Arthur Brehmer, die Zeitung wolle Berlin schildern, „wie es fühlt und denkt, wie es wacht und träumt, wie es leidet und liebt, wie es wirklich ist“. Ist das auch Ihre Ambition?

Peter Schink: Auf jeden Fall. Ich glaube sogar, dass wir bei der Berliner Morgenpost einen Vorteil haben, den kaum eine andere Zeitung hat. Berlin ist so voll von Geschichten, da können wir jeden Tag nur einen Teil berichten. Vielleicht gelingt es uns ja künftig, noch mehr von Berlin zu erzählen. Von den großartigen Menschen dieser Stadt. Oder auch mal von Orten und Geschichten, die wehtun.

Wird sich der Lokaljournalismus durch die immer stärkere Nutzung digitaler Technologien verändern?

Peter Schink: Ich glaube vor allem, die Welt um uns herum hat sich verändert. Viele Menschen lesen gar keine Zeitung mehr, sondern informieren sich in Social Media oder bei Youtube. Andere schauen nur noch abends Nachrichten im Fernsehen. Da müssen wir ansetzen. Ich will den Menschen vor Augen führen, weshalb die Zeitung einen unschätzbaren Wert für jeden denkenden und fühlenden Menschen hat, gerade im Lokalen. Von den Geschichten vor Ort berichtet sonst niemand.

Ein Blick in die Glaskugel: Wie sieht die Berliner Morgenpost in zehn Jahren aus?

Peter Schink: Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann vor allem, dass wir Journalisten nach wie vor spannende Geschichten zu erzählen haben, im Digitalen auf neuen Wegen und mit anderen Mitteln, aber dafür noch viel eindrücklicher und näher als das heute möglich ist. Im Kern bleibt eine gute Geschichte immer eine gute Geschichte. Aber ich bin mir ganz sicher, Arthur Brehmer hätte heute auch einen Instagram-Account.

Autor:

Hendrik Stein aus Weißensee

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