Aus der alten Reemtsma-Tabakfabrik wird ein Kreativquartier
Auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik an der Mecklenburgischen Straße 32 wird bis zum Jahr 2024 ein großes, hochmodernes Quartier für Büros, Werkstätten und Start-up-Unternehmen entstehen. Die Wohnkompanie Berlin investiert mindestens 800 Millionen Euro in die Umsetzung ihrer Vision.
Die Firma Reemtsma hat an dem Standort am Stadtring von 1959 bis 2011 Millionen Glimmstängel täglich produziert. Auf dem Dach einer Halle zeugt unter anderem noch eine überdimensionale Zigarettenschachtel davon. Doch die Zeit von Tabak geschwängerter Luft ist vorbei.
Die Berliner Wohnkompanie, eine Beteiligungsgesellschaft der Zech Group aus Bremen und als Bauträger kein Neuling in der Hauptstadt, hat das 7,5 Hektar große Gelände Areal Ende 2014 gekauft und arbeitet jetzt an der Umwidmung und Neuerschließung des Areals.
Start-up-Center und Co-Working Lofts
Geschäftsführer Stephan Allner hat für die gewaltige Kulisse Marke Industriecharme der 70er-Jahre ein Drehbuch mit Happy End für die moderne Arbeitswelt geschrieben. Mit Beginn des nächsten Jahres soll, nach Abstimmung mit dem Bezirk und erschließungstechnisch eingebettet in das Verkehrsadern-Delta Forckenbeckstraße, A100 und Mecklenburgische Straße, so etwas wie eine kleine Stadt entstehen. Geplant sind der Neubau von Büros und Spezialimmobilien für "nicht störende Industrie und Gewerbe", wie es die Wohnkompanie beschreibt – darunter befinden sich zum Beispiel ein eigenes Rechenzentrum, ein Start-up-Center und Co-Working Lofts mit Fitnesscenter und Swimmingpool auf dem Dach sowie Werkstätten. Nachgedacht wird auch über die Errichtung von ein bis zwei Hotels, Restaurants, einer Theaterbühne und einer Tiefgarage.
Durch die hippe Arbeitswelt der Zukunft führen ebenerdig Verkehrswege, die allerdings dem Anrücken von Feuerwehrfahrzeugen und Krankenwagen in Notfällen vorbehalten sind. Die Erschließung des Alltagsverkehrs wird untertage realisiert. Dem eigenen Anspruch, mit Hilfe intelligenter Mobilitäts- und Energiekonzepte in ökologischer Hinsicht vorbildhaft zu sein, möchten Stephan Allner und sein Unternehmen etwa mit dem Einsatz autonomer Elektrofahrzeuge für Fahrten auf dem Areal oder der Nutzung der Abwärme aus dem Rechenzentrum zum Heizen und Kühlen Rechnung tragen.
„Die Bausubstanz ist hervorragend“
Wer noch die Gelegenheit bekommt, das Gelände vor dem Teilabriss zu erkunden, sieht die Filmschauspielschule Berlin gleich hinter der Schranke, bemerkt ein Cateringunternehmen, das auch die Kantine für Firmen im orange-braunen Bürogebäude schmeißt, und entdeckt in den nicht enden wollenden früheren Fabrikhallen – insgesamt 110 000 Quadratmeter groß – hier ein eingelagertes Boot und dort einen restaurierten Oldtimer. „Eine Lebensmittelkette hat noch einen Kühlraum eingerichtet. Das sind alles nur Zwischenlösungen“, sagt Sprecher David Eckel. Auch Probebohrungen fallen ins Auge. „Die Bausubstanz ist hervorragend“, sagt Eckel. Das spielt der Wohnkompanie in die Karten, denn einige der früheren Bauten können einfach in den Plan übernommen werden. Wie das Bürogebäude, das schon Ende 2018 komplett saniert und vermietet sein soll, oder das Hochregallager, mit dessen Umbau zu Bürolofts in 24 Metern Höhe Anfang nächsten Jahres die Quartiersentwicklung starten soll.
„Die beiden Türme links und rechts an der Front zur Autobahn hin müssen noch verändert werden“, sagt Stephan Allner und betrachtet die ersten Entwürfe zu seiner Vision. Sein Finger wandert zum benachbarten S- und U-Bahnhof Heidelberger Platz. „Wir denken über einen Shuttleservice nach, der die Beschäftigten hin- und herfährt“, sagt er. Die Skizze bleibe noch unter Verschluss, er wolle den Gesprächen mit der Abteilung Stadtentwicklung im Rathaus im Januar nicht vorgreifen.
Keine Wohnungen geplant
Er verrät aber, dass ursprünglich auch eine Wohnbebauung eine Rolle in seinen Planungen gespielt habe, dort, wo das Areal an die Kleingartenanlage Oeynhausen angrenzt, es fast idyllisch wirkt und jetzt die Büros situiert werden sollen. „Den Gedanken haben wir schnell wieder verworfen. Das Genehmigungsverfahren hätte zu lange gedauert.“
Apropos Zeit. Ist das Projekt abgeschlossen, also spätestens 2024, wird der Verkauf des Geländes angestrebt. „Wir sind eine Projektentwicklungsgesellschaft, das ist normal.“ Und falls man für den gesamten Komplex keinen Investor finden sollte, könne der Verkauf in Abschnitten erfolgen. „Wir prüfen daher auch die Parzellierung“, sagt Allner. Die Kosten für die Umsetzung seiner Vision, die unter dem Arbeitstitel „Go West“ an den Start geht, seien zwar mit 800 Millionen Euro veranschlagt, erfahrungsgemäß käme aber meistens noch etwas hinzu. „Das könnte schon eine Milliarde werden.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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