Baurecht befeuert Bürgerwut: Anwohner der WOGA-Siedlung drohen mit Klagen
Kitaneubau als Ausweg?
Sollte es nicht gelingen, den Hof der Denkmalbauten per Bebauungsplanverfahren als Standort für eine Kita auszuweisen, wird das britische Unternehmen Shore Capital dort tatsächlich einen Glaswürfel mit etwa 70 Wohnungen errichten dürfen. Ein BVV-Antrag mit Stimmen von SPD, CDU, Grünen und Linken hat die Notoperation Kitastandort nun eingeleitet.
Kurz vor diesem Manöver hatte sich der Fall endgültig zur baupolitischen Krise ausgewachsen. Nach einem Zickzackkurs sah das Bezirksamt keine Chance mehr, das Bauprojekt im WOGA-Komplex abzulehnen, ohne Schadensersatzansprüche auszulösen. Zu lange habe der Bezirk Shore im Glauben gelassen, das Vorhaben verwirklichen zu dürfen, nennt der heutige Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) einen Umstand, der vor Gericht zur Niederlage führen dürfte. Und das hieße: Der Bezirk zahlt Schadensersatz in Millionenhöhe.
In der Zwickmühle
Eine Zwickmühle, die ein Untersuchungsausschuss auf Antrag von CDU und FDP nun bewerten soll. „Dieser soll klären, wie es überhaupt zur Feststellung der Option der Bebaubarkeit der Fläche kam, obwohl sie als Bestandteil des Denkmals als unbebaubar galt“, begründen die Fraktionen ihren Schritt in einem gemeinsamen Schreiben.
Für die CDU-Fraktionsvorsitzende Susanne Klose ist fraglich, „ob die Verwaltung und insbesondere der damalige Baustadtrat Schulte zu jedem Zeitpunkt so gehandelt haben, dass der Wille der BVV umgesetzt und Schaden vom Bezirk abgewendet werden kann. Diese Fragen wollen wir schonungslos aufklären.“
Anwohner sind empört
Was die Lage an der Cicerostraße heikel macht, ist nicht nur die mögliche Umgehung des Denkmalschutzes, sondern auch der Umgang mit dem Interesse der Anwohner. Etliche empörte Mitstreiter aus der Bürgerinitiative um den Architekten Reinhard Brüggemann haben ihre Wohnungen in den Denkmalbauten des WOGA-Komplexes nämlich unter der Bedingung gekauft, dass sich im Hof eine Freifläche befindet und kein Neubau. Sollte der Bezirk also das Wohnungsbauprojekt von Shore Capital im Hof bewilligen müssen, um Schadensersatzansprüche abzuwenden, drohen ihm stattdessen Klagen der düpierten Wohnungseigentümer. Im BVV-Ausschuss für Stadtentwicklung meldete sich zum Beispiel der frühere Baupolitiker Wolfgang Sadowski zu Wort und erinnerte daran, dass unzufriedene Bürger bereits rechtliche Schritte prüfen. Wenn ihre Immobilien durch Verdichtung und Verschattung an Wert verlieren, könnten 250 Wohnungseigentümer versucht sein, ähnliche Summen herausklagen wie der Investor, hieß seine Warnung.
"Wir ziehen vor Gericht"
Dass Shore bestenfalls einen Gewinn von geschätzten 9 Millionen Euro einfahren dürfte, erklärte dann Anwohnersprecher Reinhard Brüggemann "zum Skandal". Nach seinen Erkenntnissen habe das Unternehmen das jetzige Baugrundstück als Erholungsfläche für unter 500 000 Euro gekauft und könnte die neuen Wohnungen zu Ku’damm-Marktpreisen sehr viel teurer vermarkten. Dann hätte sich die nutzlose, billige Freizeitfläche der 2007 geschlossenen Tennisplätze in teures Bauland verwandelt. In diesem Lichte zeigt sich Brüggemann kampfbereit: „Wir werden auf jeden Fall vor Gericht ziehen. Es geht um Denkmalhaftigkeit dieser Tennisplätze.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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