Im Stich gelassen
Mieter sollen aus dem Rheingau-Viertel verdrängt werden

Das Lachen ist Michaela Mahlo vergangen. Generell sowieso und speziell, als sie kürzlich aus dem Urlaub zurückkam: Die neuen Eigentümer haben mal eben die alte Hainbuchen-Hecke vor ihrer Wohnung gerodet, ihr Bambus-Zaun war ohne Halt und kippte um.  | Foto: Matthias Vogel
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  • Das Lachen ist Michaela Mahlo vergangen. Generell sowieso und speziell, als sie kürzlich aus dem Urlaub zurückkam: Die neuen Eigentümer haben mal eben die alte Hainbuchen-Hecke vor ihrer Wohnung gerodet, ihr Bambus-Zaun war ohne Halt und kippte um.
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Wieder Verdrängung, diesmal betrifft es die Mieter der Deidesheimer Straße 8 im Rheingau-Viertel. Der Investor fährt die bekannt harte Tour. Für die Betroffenen besonders ärgerlich: Das Bezirksamt hat es offenbar versäumt, den Trumpf Denkmalschutz auszuspielen.

Mitte 2016 wird das in Privatbesitz befindliche Mietshaus nördlich des Rüdesheimer Platzes an das Unternehmen „hit. Immobilien“ verkauft. Die Hausverwaltung wechselt, heißt jetzt Egelhofer Immobilienbetreuung. Die Wohnungen werden ein Jahr später vermessen, auch die Außenanlagen. Währenddessen wird den Bewohnern schon nahegelegt auszuziehen, nach der Sanierung könnten sie sich die Wohnungen ohnehin nicht mehr leisten, heißt es. Einige Wohnungen stehen ohnehin schon seit Jahren leer, die anderen Mieter sollen raus, wie die ersten Kündigungen 2018 belegen. Den Mietern wird als Ausgleich eine Wohnung einen Block weiter angeboten, in der Taunusstraße. „Katastrophe, haben die Mieter dort berichtet. Explodierende Mieten, auch dort kümmert sich niemand um irgendwas“, berichtet Michaela Mahlo, die in der Deidesheimer im Erdgeschoss wohnt.

Aufstocken und Lücke schließen

Sie und die anderen Bewohner haben zeitlich alles sortiert, Ross und Reiter aufgeschrieben. Hinter „hit. Immobilien“ steht die Firma „Huber im Tal“ aus München, dahinter wiederum der Geschäftsmann Alavi Kia aus Teheran. Dessen Plan folgt offenbar den branchenüblichen Mechanismen der Gewinnmaximierung: Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, Modernisierung, Leerziehen der Wohnungen – und: Anbau. Auf das Haus soll ein weiteres Stockwerk aufgepfropft, die Lücke zur benachbarten Nachkriegsbebauung – eigentlich als Mieterparkplatz und Lichtfenster für die Hinterhofbebauung gedacht – geschlossen werden. Bereits im April hätte das Haus eingerüstet werden sollen, der Termin hat sich verschoben. Nun will der Investor gleich im Anschluss an die Sommerferien mit seinen Umbauten beginnen.

Kein Rückhalt aus dem Bezirksamt

Die Bewohner fühlen sich nicht nur in ihrer Existenz bedroht, sondern auch von der Politik im Stich gelassen. Deshalb saß ein Dutzend von ihnen bei der jüngsten Sitzung des Bauausschusses im Zuschauerbereich. Sie wollten genau wissen, warum die Untere Denkmalschutzbehörde ihnen bis Mitte Mai noch signalisiert hatte, der Investor stünde mit der baulichen Änderung des zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Architekten Julius Schüler als Pilotprojekt der gesamten Siedlung errichteten Wohnhauses auf verlorenem Posten, und von diesem Rückhalt urplötzlich nichts mehr zu spüren gewesen sei.

Als "nicht schützenswert" erachtet

Die SPD-Bezirksverordnete und Mitglied des Denkmalschutzbeirates der BVV, Christiane Timper, vermutete dahinter das Veto des Landesdenkmalamtes. Die Kunsthistorikerin Lisa Schmitz ergriff während der Sitzung das Wort und beteuerte den historischen, unwiederbringlichen Wert des Hauses und jeder einzelnen Wohnung: „Genial und bezaubernd.“ Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, bei einer Begehung im Frühjahr sei die Bausubstanz, die in den 50er-Jahren offenbar eine Veränderung erfahren habe, als nicht schützenswert erachtet worden. Vom Unterschied zwischen der Betrachtung als Ensemble oder als Gesamtanlage war die Rede. Die Bewohner zweifelten an, ob diese Begehung überhaupt stattgefunden habe.

Gibt es noch eine Chance?

Letztendlich war sich der Ausschuss einig, noch vor dem geplanten Start des Umbaus die Denkmalschutzexperten an einen Tisch zu holen, um das Schicksal der Mieter noch positiv zu beeinflussen. Wenn das nicht gelingt, müsste sich vermutlich nicht nur Michaela Mahlo nach 22 Jahren in der Deidesheimer Straße nach einer neuen Bleibe umsehen. 1000 Euro Miete müsste sie nach der Sanierung für ihre Zwei-Zimmer-Wohnung bezahlen, dreimal mehr als jetzt. Nach der Sitzung bedauerte Christiane Timper den Status quo: „Das Frühwarnsystem funktioniert noch nicht. Wir vom Beirat erfahren zu spät, wenn Denkmalschutz eine Rolle spielt. Das könnte Oliver Schruoffeneger ändern.“

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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