Uhlandstraße von Berliner bis Wilhelmsaue – Teil 2
Victoria-Garten

Abb. 1 - Der große Saal, Postkarte 1924 (Bildquelle: Museum Charlottenburg-Wilmersdorf)
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  • Abb. 1 - Der große Saal, Postkarte 1924 (Bildquelle: Museum Charlottenburg-Wilmersdorf)
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Seit 2015 wird das Gesicht der Uhlandstraße rund um die Kreuzung mit der Berliner Straße zum zweiten Mal seit 1945 beträchtlich umgestaltet. Darauf ging der einleitende Abschnitt des ersten Teils ein.
Dieser zweite Teil schaut auf den Bereich der anschließenden Kreuzung der Uhlandstraße mit der Wilhelmsaue. Die Umgestaltung nach 1945 war hier noch tiefgreifender, indem überhaupt erst die Kreuzung geschaffen wurde – und damit die Zerschneidung der Wilhelmsaue in ihrem zentralen Abschnitt. Der folgende Text beschreibt diesen Bereich vor und nach dem Zweiten Weltkrieg.

1899 wurde auf dem Grundstück Wilhelmsaue 114-115 – dort, wo heutzutage die Uhlandstraße die Wilhelmsaue Richtung Mecklenburgische Straße verläßt – der „Victoria-Garten“ (auch „Viktoriagarten“) eröffnet. Jetzt gab es in Wilmersdorf an der Wende zum 20. Jahrhundert vier große Ausflugslokale. Das neue Lokal mit seinem riesigen Biergarten reichte bis zum See hinab und bot daher auch Kahnfahrten an. Vor allem aber verfügte es über mehrere Säle, darunter einen für 2000 Personen mit einer Bühne für Theater- und Konzertaufführungen (Abb. 1).
Im Ersten Weltkrieg war der Victoria-Garten geschlossen, aber nach seiner Wiedereröffnung im Jahr 1921 entwickelte er sich zu einem wichtigen Veranstaltungsort – auch wenn keine Bootsfahrten mehr stattfinden konnten, da der Wilmersdorfer See inzwischen trockengelegt worden war. Ein Beispiel sind die Kulturveranstaltungen russischer Emigranten. Mehr als eine halbe Million Russen waren infolge der Revolution nach Deutschland gegangen, viele von ihnen (zunächst) nach Berlin. Von 1923 bis 1936 lassen sich elf Veranstaltungen im Victoria-Garten nachweisen.
Besondere Bedeutung hatte der Victoria-Garten jedoch aufgrund seiner Nutzung durch politische Organisationen.

Politik im Victoria-Garten

Im letzten Friedensjahr vor dem Ersten Weltkrieg hatte die europäische Arbeiterbewegung gewaltige Kundgebungen organisiert, die den Willen zum Frieden eindrucksvoll demonstrierten, aber ohne konkrete Folgen blieben. Daher wurde diskutiert, welche Mittel es gegen die Kriegsgefahr denn noch gäbe neben Massenkundgebungen und Antikriegspropaganda. Es begann die dritte Massenstreikdebatte innerhalb der SPD. In deren Rahmen fand am 10.6.1913 im Victoria-Garten eine Versammlung statt, auf der Rosa Luxemburg dafür eintrat, den Massenstreik auch gegen den drohenden Krieg einzusetzen.
Für die NSDAP hat der Victoria-Garten eine besondere Rolle gespielt. Es fing 1926 an, als Joseph Goebbels am 17. November hier den „Kampf um Berlin“ einläutete:

Am Bußtag des Jahres 1926 versammelten sich im Viktoriagarten in Wilmersdorf, in einem Saal, der später oftmals noch Stätte unserer propagandistischen Triumphe werden sollte, an die sechshundert Parteigenossen, denen ich die Notwendigkeit einer gesunden finanziellen Basierung der Berliner Organisation in längerer Rede darlegte. Das Ergebnis dieser Zusammenkunft war, daß die Parteigenossen sich verpflichteten, in monatlichen Opferbeiträgen fünfzehnhundert Mark bereitzustellen. (J. Goebbels, Kampf um Berlin. Der Anfang, S. 11)

Auch später war der Victoria-Garten immer wieder der Ort von NSDAP-Veranstaltungen. Dazu gehörten weitere Auftritte von Goebbels, darunter zur „Weihe von Ortsgruppenfahnen mit der Blutfahne von Horst Wessel“, und die Gründung des Nationalsozialistischen Schülerbundes (NSS) für Berlin.
Auch die KPD führte hier Veranstaltungen durch, ebenfalls die DNVP (Deutschnationale Volkspartei) und ihr bewaffneter Arm, der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten.

Nach dem Krieg

Der Zweite Weltkrieg traf den Victoria-Garten noch härter als der Erste. Er wurde nie wieder eröffnet, da die Hauptgebäude zerstört waren. Übrig blieb fast nur ein langgestreckter Bau mit Garagen und der ehemaligen Kegelbahn im ersten Stock; er diente vor allem als Lager und Werkstatt (Abb. 2). Dieser Zustand blieb bis um 1960, als begonnen wurde, den Durchbruch der Uhlandstraße hin zur Mecklenburgischen Straße in Form einer Schnellstraße zu realisieren.
Abb. 3 zeigt die einschneidenden Veränderungen an Grundstück Wilhelmsaue 114-115 und unmittelbarer Umgebung im Laufe von weniger als drei Jahrzehnten: Der Ausgangszustand (hier: 1941) mit den Gebäuden des Gartenlokals und dem durchgehenden Mittelstreifen der Wilhelmsaue samt Denkmal Wilhelms I. ist in Schwarz gehalten. Blau zeigt die Situation im Jahr 1950: die stehengebliebenen Gebäudeteile des Victoria-Gartens sowie die Durchschneidung des Mittelstreifens am ehemaligen Standort des Denkmals – ein erster Schritt auf dem Weg zur autogerechten Stadt an dieser Stelle. Die Vollendung ist in Rot eingezeichnet: die im Laufe der 60er Jahre ausgeführte Verlängerung der Uhlandstraße zur Mecklenburgischen Straße, wobei u.a. die vom Krieg verschonten Wohnhäuser Uhlandstraße 101 bis 103 zwischen Wilhelmsaue und Berliner Straße (rechts oben) abgerissen wurden (Stand:1970 – siehe auch Teil 1).

Dies ist die gekürzte Fassung von „Straßen und Plätze: Wilhelmsaue 114-115 – Victoria-Garten“. Dort befinden sich die Quellenhinweise.

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

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