„Ein Triumph über die Nazi-Verbrecher“
Angehörige übergeben Briefe der Familie Chotzen ans Haus der Wannsee-Konferenz

Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Ilses Hochzeit. Bald schon wird das friedliche  Leben für die Familie Chotzen vorbei sein. | Foto:  Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
2Bilder
  • Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Ilses Hochzeit. Bald schon wird das friedliche Leben für die Familie Chotzen vorbei sein.
  • Foto: Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
  • hochgeladen von Uwe Lemm

Große Freude aus traurigem Anlass: Am Mittwoch, 11. Oktober, erhält die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Am Großen Wannsee 56-58, Dokumente und Fotografien der ursprünglich aus der Johannisberger Straße 3 im Wilmersdorfer Rheingauviertel stammenden jüdischen Familie Chotzen. Zur Übergabe an das Archiv werden Familienangehörige aus den USA, Israel und Süddeutschland anreisen.

"Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die Dokumente der Familie Chotzen nun in der Villa aufbewahrt werden, in der die Mörder ihren Völkermord planten. Zu wissen, dass Erichs Album für Ilse zu diesem Nachlass hinzu kommt – das fühlt sich für mich an wie ein Triumph über die Nazi-Verbrecher", so Familienmitglied Kay Henning Danley. Die Sammlung selbst war 1992 entstanden, als der Holocaustüberlebende Eppi Chotzen seinen Nachlass der Joseph Wulf Bibliothek der Gedenk- und Bildungsstätte vermachte.

Die Geschichte der Verfolgung der Familie Chotzen durch die Nationalsozialisten ist vor allem deshalb außergewöhnlich, weil die Mutter Elsa Chotzen zum Judentum übergetreten war, nachdem sie ihren Mann 1914 geheiratet hatte. Doch nach der Rassenideologie der Nationalsozialisten war sie damit keine Jüdin, sondern Arierin – während ihr Mann und fast alle Kinder und Schwiegerkinder ermordet wurden.

Erinnert vor dem Haus Johannisberger Straße 3 an eines der ermordeten Mitglieder der Familie Chotzen: Stolperstein für Hugo-Kurt.  | Foto: OTFW, Berlin
  • Erinnert vor dem Haus Johannisberger Straße 3 an eines der ermordeten Mitglieder der Familie Chotzen: Stolperstein für Hugo-Kurt.
  • Foto: OTFW, Berlin
  • hochgeladen von Uwe Lemm

Josef und Elsa Chotzen hatten vier Kinder: Eppi, Hugo-Kurt, genannt Bubi, Erich und Ullrich, der immer nur kurz Ulli genannt wurde. Der Vater starb in Berlin 1942 auch infolge der Bedingungen der schweren Zwangsarbeit, zu der er gezwungen worden war. Außer Eppi und einer Schwiegertocher, Ruth, ermordeten die Nationalsozialisten Elsas ganze Familie, die aber selbst in Berlin verblieb.

Das betraf Elsas Sohn Erich, der Ilse Schwarz geheiratet hatte. Denn als Ilses Mutter Käthe Schwarz 1942 nach Riga deportiert werden sollte, beschloss das Ehepaar Erich und Ilse Chotzen, sie zu begleiten und zu unterstützen. Das bedeutete faktisch auch ihr Todesurteil: Erich selbst starb im März 1942 in Riga, Ilse wurde dort ein Jahr später, 1943, ermordet. Die Mutter Käthe, die beide begleitet hatten, wurde von Riga in das Konzentrationslager Stutthof verschleppt, das 1939 in der Danziger Niederung auf dem Gebiet der von Deutschland annektierten Freien Stadt Danzig errichtet worden war. Dort wurde auch sie 1944 ermordet. Allein Ilses Schwester Ruth Schwarz konnte im Mai 1939 nach England fliehen.

Nach dem Krieg gab Elsa Chotzen ein Fotoalbum an Ruth Schwarz weiter, das Erich für Ilse zusammengestellt hatte. In ihre Hände kamen damals auch Briefe, die Erich und Ilse einander vor dem Krieg geschrieben hatten. Unter diesen Dokumenten, die nun an die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz übergeben werden, befinden sich auch Briefe, die die nach Riga verschleppten Ilse und Erich Chotzen über einen Wehrmachtssoldaten nach Berlin zu ihrer Mutter Elsa schmuggeln konnten.

"Wir danken den Familien Baumstark und Danley, dass sie uns ihre Unterlagen anvertrauen. Sie sind eine wichtige Ergänzung unserer Chotzen-Sammlung und für unsere Bildungs- und Forschungsarbeit von großem Wert", erklärte Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte, bereits Im Vorfeld der Übergabe der Dokumente, mit der sich am 11. Oktober ein tragischer Kreis für eine Wilmersdorfer Familie schließt.

Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Ilses Hochzeit. Bald schon wird das friedliche  Leben für die Familie Chotzen vorbei sein. | Foto:  Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
Erinnert vor dem Haus Johannisberger Straße 3 an eines der ermordeten Mitglieder der Familie Chotzen: Stolperstein für Hugo-Kurt.  | Foto: OTFW, Berlin
Autor:

Uwe Lemm aus Mahlsdorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 306× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 608× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 592× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.004× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.