Die Exzellenz des Strichs: Beate Terfloth gewinnt Kunstpreis des Bezirks
Wilmersdorf. Der Gipfel des Minimalismus: Beate Terfloth überzeugte die Jury des diesjährigen Kunstpreises Charlottenburg-Wilmersdorf mit der ihr eigenen Technik: Sie zeichnet Linien an die nackte Wand.
Der Strich beginnt an einem Punkt im weißen Nirgendwo. Er schlägt nach 30 Zentimetern einen Haken, bricht kurz ab, verzagt dort, wo die Wand einen Knick vollzieht, um dann in neu gefundener Zuversicht weiterzufahren – bis der nächste Knick ihn unterbricht. So läuft der Strich von links nach rechts. Oder von rechts nach links? Was für eine abendländische Frage!
Nein, Beate Terfloths Kunst lässt sich kaum wertschätzen, sofern man von fernöstlicher Philosophie keine Ahnung hat. Aber auch wer Konfuzius und Laotse studiert hat, könnte staunen, wenn er erfährt, dass die Meisterschaft des Linienzeichens in Charlottenburg-Wilmersdorf zum Gewinn der wichtigsten Auszeichnung reicht, die der Bezirk in Sachen Kulturförderung zu vergeben hat.
Beate Terfloth – geboren in Hongkong, wohnhaft in Berlin – hat den Kunstpreis 2016 gewonnen und damit das Anrecht auf eine Soloschau samt Katalog ergattert.
Unverständnis bei Besuchern
„Was so des Weges kommt“ nennt sich ihre ganz persönliche Ausstellung in der Kommunalen Galerie. Und neben der unterbrochenen Linie finden Besucher dort auch zwei zum Kreis vermählte Neonröhren, eine weitere gebogene Neonröhre, die einsam bleibt, und in Vitrinen verwahrte Pinselzeichnungen auf Papier.
Nur gehen die leicht unter angesichts der lautlosen Wucht des wackeligen Strichs. „Grundlage für diese Zeichnung sind ihre Landschaftsbeobachtungen, die von der Künstlerin kontinuierlich angelegt und archiviert werden. Sowohl in den Arbeiten auf Papier als auch in der Wandarbeit ist die Linie das dominierende Instrument der Raumerkundung und Wahrnehmung“, lässt der Bezirk die Öffentlichkeit dazu wissen.
Soll heißen: Beate Terfloth übertrug einen landschaftlichen Eindruck in die Galerie, vereinfachte das Geschaute zum Strich an der Wand. „Mir geht es um einen anderen Ort- und einen anderen Zeitbezug“, erklärt sich Terfloth. „Ich möchte eine Verlangsamung bewirken.“ Was sie anbietet, ist ein Gegenentwurf zur hektischen Flut der städtischen Reize.
Wer im Gästebuch zur Ausstellung blättert, wird sehen, welch verschiedenartige Reaktionen diese Kunst zu provozieren vermag. „Eine solche Ausstellung lässt mich begreifen“, schrieb ein erleuchteter Besucher. Einem anderen blieb das Begreifen verwehrt: „Wann kommt die Ausstellung?“, hinterließ er eine Frage. Und zog darüber einen wackeligen Strich. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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