Wie aus dem Bilderbuch
Dieses Mal geht es zum Prager Platz in Wilmersdorf

Zur zweiten Internationalen Bauausstellung in der 1980er-Jahren konnten sich die Architekten richtig austoben. | Foto: Bernd S. Meyer
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  • Zur zweiten Internationalen Bauausstellung in der 1980er-Jahren konnten sich die Architekten richtig austoben.
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Achtung! Terminänderung

Dieses Mal lade ich Sie zum Prager Platz ein. Der ist wie aus dem Bilderbuch, so kreisrund wie es nur geht, und in der grünen Mitte fängt das große runde Becken den Wasserstrahl des Springbrunnens auf.

Alle fünf Einmündungen sind erstaunlich verkehrsberuhigt. Die modernen Häuser um den Ring sehen alle aus, als ob sie Stück für Stück für den Platz maßgeschneidert worden sind. Genauso ist es auch gewesen, denn in den goldenen Achtzigern wurde dieses Areal zu einem Planungsgebiet der zweiten Internationalen Bauausstellung Berlin, die geförderte behutsame Stadterneuerung zum Ziel hatte. Da es hier über der Erde kaum noch Altes gab, was man behutsam erneuern konnte, durften die Architekten ohne große wirtschaftliche Zwänge neu bauen. Neubau im alten Stadtgebiet hieß damals Kritische Rekonstruktion, denn in dieser Partie Wilmersdorfs war nach dem Krieg fast nur das alte Straßennetz samt unterirdischer Leitungen geblieben und bald repariert worden. So konnte das zweite Leben des Platzes als neue Wohnoase mitten in der dichtbebauten Stadt beginnen – auch als Ort der kurzen Wege mit buntscheckiger Geschäftszone.

Fast kreisrund und wie aus dem Bilderbuch präsentiert sich der Prager Platz auch heute noch. | Foto: Bernd S. Meyer
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Das erste Leben des Prager Platzes hatte schon um 1870 angefangen. 1865 kaufte der aus Holstein stammende Kaufmann Johann A. W. von Carstenn mit Gewinnen aus Bodenspekulationen bei Hamburg die Güter Lichterfelde und Giesendorf, 1868 das Wilmersdorfer Rittergut, alle drei gehörten zum Landkreis Teltow. Nahe der immer dichteren Vorort-Bahnstrecken schossen bald die Villenkolonien aus dem Boden. Für die Kolonie Friedenau und für Wilmersdorf fand Carstenn eine eigene Straßenplanung, fern vom offiziellen Hobrechtschen Stadtentwicklungsplan Berlins. Ihr Kern, die sogenannte Carstenn-Figur, wird mal als symmetrisches Kirchenfenster, mal als Außen- und Rückenlinien eines riesigen Käfers gedeutet. In Wilmersdorf rund um die Bundesallee entstanden vier Außenplätze: Fasanen- und Nürnberger im Norden, die Trautenauer Straße verbindet im Süden Nikolsburger und Prager, die zunächst Magdeburger und Halberstädter Platz hießen.

"Napoleon der Spekulanten"

In Friedenau entstanden schnell viele kleine Villen, doch in Wilmersdorf stockte das Projekt, weil Finanzjongleur Carstenn beim „Gründerkrach“ 1873 in die Pleite geriet. Fortan als „Napoleon der Spekulanten“ tituliert, blieben ihm doch die Gefangenenschicksale der besiegten Kaiser Napoleon I. und III. erspart. In einer Schöneberger psychiatrischen Pflegeanstalt verbrachte er – gut versorgt – die letzten Lebensjahre. „Seine“ Wilmersdorfer Straßen wurden erst viel später mit repräsentativen Mietshäusern bebaut und galten schon um 1900 als ein kultureller Brennpunkt des „Neuen Westens“ .

Erich Kästner setzte dem Prager Platz mit seinem Buch "Emil und die Detektive" ein literarisches Denkmal. | Foto: Repro: Bernd S. Meyer
  • Erich Kästner setzte dem Prager Platz mit seinem Buch "Emil und die Detektive" ein literarisches Denkmal.
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Aus all jenen Prominenten, die mehr oder weniger weit entfernt vom Prager Platz gewohnt haben, ragt Schriftsteller Erich Kästner wohl am meisten heraus, weil der von ihm erfundene Kinderkriminalroman „Emil und die Detektive“ in der Gegend spielt. Er brachte sie so in deutsche Kinderzimmer und auf Kinoleinwände. Wussten Sie, dass Erich Kästner unter Pseudonym das Drehbuch für den sehr erfolgreichen Agfacolor-Spielfilm „Münchhausen“ von 1943 geschrieben hatte, in dem Hauptdarsteller Hans Albers auf der Kanonenkugel durch die Luft reitet? Eine im Ausland wiederentdeckte Langfassung der Filmabenteuer des Lügenbarons wurde aufwendig restauriert, und so kann man auch heute noch komplett sehen, mit welch gewaltigem Aufwand seinerzeit Unterhaltungsbedürfnisse befriedigt worden sind.

Wenige hundert Meter weiter, in Schöneberg, lebte Hildegard Knef. Sie spielte 1944 als blutjunge Schauspielerin in Helmut Käutners „Unter den Brücken“, eine anrührende Geschichte unter Berliner Binnenschiffern, erstaunlich weitab vom Bombenalltag. Der Film hatte schließlich 1946 in der Schweiz seine Premiere. Berühmt wurde die Knef mit dem ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte, gedreht 1946 in der Berliner Trümmerlandschaft als eine Auseinandersetzung mit jüngster Geschichte. Beide so verschiedenen Werke sind in die Liste der 100 wichtigsten deutschen Filme aufgenommen worden.

Platz erinnert an den Krieg von 1866

Ältere Geschichte ist hier vor allem auf Platz- und Straßenschildern präsent. Die Namen Trautenaustraße, Prager Platz, Prager Straße, auch Nikolsburger Platz erinnern an Schlachten und Friedensschlüsse des von Bismarck 1866 vor allem auf Territorien Böhmens und Mährens geführten Deutschen Krieges, den Preußen gegen Österreich und kleinere deutsche Staaten gewann. Vor einigen Jahren ist auf dem Prager Platz eine Gedenksäule für den Dichter Rainer Maria Rilke aufgestellt worden, geschaffen von einem tschechischen Bildhauer. Rilke lebte zeitweise auf einem Schloss an der Grenzlinie zwischen dem böhmischen und mährischen Landesteil. Das Monument ist der Versöhnung zwischen Deutschland und Tschechien gewidmet.

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 2. April, um 11 Uhr. Treffpunkt ist die Ecke Bundesallee und Trautenaustraße, zu erreichen mit der U9 bis Güntzelstraße. Übrigens wiederhole ich die Führung am 9. April um 14 Uhr. Treffpunkt ist derselbe, die Teilnahme kostet sieben Euro. Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31. Weitere Infos auf www.stadtgaenge.de

Die Führung ist für Leser der Berliner Woche kostenlos. Allerdings ist eine vorherige Anmeldung erforderlich: Am Montag, 21. März 2022, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 71 00.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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