Kommunale Galerie eröffnet neue Ausstellung
Die politischen Polizisten - sie sind verschwunden. Ihre Häftlinge: lange befreit. Bis heute aber schlafen an jenem Ort, an dem sie sich gegenüber saßen, unausgesprochene Geschichten. Immer wieder zieht es den Fotografen Norbert Wiesneth in den Stasiknast Hohenschönhausen. Und was er von seinem letzten Streifzug ins Labor brachte, ist jetzt Teil einer neuen Fotoschau in der Kommunalen Galerie. "Einrichtungsorgane" heißt seine Studie von Objekten.
Die Aktenablage, das Telefon, der Tisch - in Abwesenheit von Folterknechten und Opfern muss das Mobiliar die Grausamkeiten selbst erzählen.
Mit Kamera und Lampe durch den Raum gehend, erschuf Wiesneth die erwünschte Stimmung, betrieb eine Art Lichtmalerei. "Ich finde diesen Ort extrem inspirierend", gesteht er seine Faszination. "Er war ja eigentlich kein Gefängnis für Kriminelle, sondern ein Knast für Künstler und Menschen, die abweichend denken", sagt Wiesneth. Es galt ein Geständnis abzupressen vor dem Prozess. Erst die Brechung von Charakteren. Wochenlange Psychofolter. Erst dann das endgültige Gefängnis. Eines, in dem die Künstler mit Mördern saßen.
Wiesneth stellt nicht nur selber aus. Im Namen des Photowerks Berlin schlüpft er diesmal auch in die Rolle der Kurators und führt durch eine Ausstellung, deren Mitwirkende jeweils eigene Zugangswege zum Staatsterror fanden. Da sind die Arbeiten von Ruth Stoltenberg: leere Stühle als Platzhalter für Personen, die auf ihnen saßen, mit beigestellten Erzählungen von ehemaligen Häftlingen. Da erblickt man die Selbstinszenierung von Tanya Ury. Auf ihren Bildern ist sie doppelt zu sehen, zugleich als Täter und als Opfer - jeweils splitternackt. "Freiheit und Intimität gab es dort nicht. Da war immer das Guckloch", erklärt Wiesneth.
Ohne starres Konzept ging Katharina Skalweit durch die leeren Flure und Folterstätten. Sie verließ sich bei ihren Detailstudien auf die eigene Stimmung. Cameron Scott schließlich fand Interesse für die absurden Details, etwa das florale Muster der Tapeten, den anheimelnden Charme des Knasts, dem die bürokratische Monstrosität wie in einer Erzählung Franz Kafkas entgegensteht.
Und auch bewegte Bilder sind Teil der Präsentation, dargeboten von Lisa Junghanß, die - als Tochter von DDR-Oppositionellen und schon während der Kindheit von der Stasi bespitzelt - als Zimmermädchen durch die Zellen kriecht, in Endlosschleife, unterlegt mit psychedelischer Musik. Im besten Falle fühlt sich der Ausstellungsbesucher von all diesen Interpretationen nicht nur berührt, sondern auch animiert. Denn auch Stasi-Akten sollen demnächst Einzug halten. Anonymisierte Beiträge von Ausstellungsgästen - ein Aufruf dazu startet in Kürze.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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