Wilmerdorfer Kinoszene - Teil 2
Savoy-Filmtheater
In einem früheren Text und in diesem werden zwei Kinos in Wilmersdorf vorgestellt, die es nicht mehr gibt, von denen aber noch Spuren vorhanden sind. Zunächst jedoch ein knapper Überblick über die Entwicklung seiner Kinoszene (einschl. der Ortsteile Schmargendorf, Grunewald und Halensee) zwischen 1910 und heute, in die diese beiden Schließungen eingebettet sind.
Die ersten Wilmersdorfer Kinos eröffneten 1910; zu Beginn des Ersten Weltkriegs waren es dann 14. Ein zweiter großer Schub mit 8 Kinos folgte in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. Während in der ersten Phase das jeweilige Platzangebot bei 200 ± 80 Plätzen lag, verfügten die Kinos der zweiten Phase über mindestens 300 Sitze; das größte unter ihnen - das Atrium an der Südost-Ecke der Kreuzung von Bundesallee und Berliner Straße - hatte sogar Platz für 2000 Zuschauer. So wies Wilmersdorf zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 23 Kinos auf. 13 davon wurden 1943 binnen weniger Monate durch Luftangriffe zerstört (darunter das im 1. Teil vorgestellte), 10 überlebten den Krieg. Im Zeitraum um 1950 kamen wieder 6 hinzu, bevor im Laufe von einem Dutzend Jahren zwischen 1960 und den frühen siebziger Jahre das zweite Kinosterben stattfand (darunter das Savoy), diesmal infolge des um sich greifenden Fernsehens. An die letzte, nachhinkende Schließung im Jahr 1996 werden sich noch manche erinnern: es traf das Graffiti in der Pariser Straße Ecke Emser Straße. So sind heutzutage noch 2 Kinos in Wilmersdorf übrig, und beide stammen sie aus den Anfangstagen, genauer: aus dem Jahr 1913. Es handelt sich um das Bundesplatz-Studio und die Eva-Lichtspiele.
Das Savoy - einst eines der größten Westberliner Kinos
1945 gab es auf der Blissestraße gegenüber der Einmündung der Hildegardstraße eine vier Häuser lange Kriegslücke. 1957 baute Herr Lehmann sen. dort (Nr. 36) ein Kino, das Savoy, das zunächst isoliert da stand (Abb. 1).
Das Savoy gehörte damals mit seinen 651 Plätzen zu den größten Kinos Westberlins. Es gehörte auch zu den modernsten, da es mit Cinemascope ausgestattet war und ein Raumklang-System hatte mit Lautsprechern auf allen vier Seiten. Kassenknüller waren Monumental- und Sandalenfilme wie Quo vadis?, Das Gewand, Die zehn Gebote und Ben Hur, der Leinwandnackedeifilm Liane, das Mädchen aus dem Urwald und natürlich Die Brücke am Kwai (mit diesem unsäglich schneidigen River-Kwai-Marsch, auch als Klingelton erhältlich). Ein Schild an der Kasse versprach: "Ostbewohner ermäßigte Eintrittspreise" (Abb. 2).
Das Savoy zeigte allerdings nur sieben Jahre lang Filme, von 1957 bis 1964. Dann erwies es sich als unrentabel, und Herr Lehmann sen. konzentrierte sich auf seine weiteren Kinos in Zehlendorf, darunter das Capitol. Seitdem werden im einstigen Kino Lebensmittel verkauft, zunächst unter dem Namen Reichelt, jetzt Edeka.
Heute sieht dieses Stück Straße sehr anders aus (Abb. 4): Das Haus rechts vom ehemaligen Kino entstand 1960, das links 1965, allerdings zunächst nur dreigeschossig. Es wurde – zusammen mit dem früheren Kino – 1995 aufgestockt. Dadurch erklären sich die vier der Edeka-Fassade vorgelagerten Stützen: die Decke des Kinosaals hätte nämlich die zusätzlichen Stockwerke nicht tragen können. Man griff deshalb auf die Technik des Umgebindehauses, wie man es z.B. noch in der Oberlausitz findet, zurück. Auf diese Weise lasten die drei obersten Geschosse auf den Stützen und nicht auf den beiden Geschossen des ehemaligen Kinos.
Hinter den Fenstern zwischen den mittleren Stützen im ersten Stock war der Vorführraum, links und rechts davon Aufenthaltsräume und Toiletten. An der Rückseite des Edeka-Verkaufsraums (vom Hof aus gut erkennbar) kann man noch die Abschlußwand des Saals erkennen: leicht konvex gebogen, wie die Leinwand damals, um die Breitwandfilme unverzerrt zeigen zu können.
Anmerkung:
Die Ausführungen zur Wilmersdorfer Kinoszene orientieren sich an der Zusammenstellung in allekinos.com. Ergänzend können Interessierte auch die sehr ausführlichen Darstellungen von Wikipedia heranziehen. Beide Listen divergieren gelegentlich.
Autor:Michael Roeder aus Wilmersdorf |
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