Sinnsuche am Lattenzaun: Ausstellung in der Kommunalen Galerie feiert die Lust am Garten
Wilmersdorf. Endorphine am Gemüsebeet: „Hütte, Zaun und Horizont“ heißt eine Schau, die das Gärtnertum fotografisch würdigt. Zwischenzeitlich galten Laubenpieper als Spießer – heute leben sie aus, was sich viele Großstädter insgeheim wünschen.
Ein guter und Garten und ein gutes Foto haben etwas gemeinsam. Beide definieren sich von den Rändern her. Erst die Grenze stiftet Sinn – hier wie dort. Was dem Gärtner sein Lattenzaun ermöglicht, das beschert dem Fotografen ein durchdachter Bildausschnitt. Künstlerischen Anspruch können Gärten ebenso besitzen wie Fotos. Wer beides mag, wird die neueste Ausstellung in der Kommunalen Galerie lieben.
Unter dem Titel „Hütte, Zaun und Horizont“ präsentieren sieben Fotografen ihre Sicht auf einen lange unterdrückten Traum vieler Berliner. Als Kurator sorgt Janos Frecot dafür, dass der Rundgang durch die Schau so vielfältige Eindrücke auslöst wie ein Besuch im Botanischen Garten. „Es ist für mich ein Lebensthema“ offenbart Frecot. „Schauen sie sich die Kioske an: Nichts boomte in den letzten Jahren so sehr wie die Gartenzeitschriften.“
"Die Ansprüche klettern höher als Efeu"
X-beliebige Bildnisse von Gärten wird man aber in seiner Schau allerdings nicht finden. Nur ausgewählte Arbeiten von renommierten Lichtbildkünstlern sind hier zusammengetragen. Götz Diergarten zum Beispiel zeigt in seiner Serie „Nowa Huta“ Bilder der malerischen Hüten einer historischen Gartensiedlung bei Krakau. Simone Nieweg, Schülerin des Düsseldorfer Meisters Bernd Becher, vermag es, eine Mauer mit ein paar Kohlstrünken wie eine Skulptur zu inszenieren. Und Joachim Brohm stilisiert eine Kleingartensiedlung bei Essen aus dem Jahre 1979 in einer Weise, als wäre es eine aus dem heutigen in Berlin. „Ein jugendlicher Geniestreich“, meint Frecot. Solche Werturteile deuten es schon an: Die Ausstellung erscheint im europäischen Monat der Fotografie. Da klettern die Ansprüche höher als der Efeu. Und immer definieren sich die Bilder von den Grenzen her, passend zum Thema.
„Der Garten ist ein Ausschnitt aus der Welt“, hält Frecot fest. Hütten brauche der Mensch, um in diesem Ausschnitt zeitweilig zu verharren, Zäune, um sein Reich zu definieren. Und den Horizont benötige er, um nicht zu vergessen, dass es noch eine Welt dahinter gibt. So erklärt sich der Titel der Schau.
„Die Leute in der Stadt haben ja alles. Also müssen sie etwas Neues suchen“, beschreibt der Kurator die Lust am Dörflichen. „Es gibt die unglaubliche Sehnsucht, aus der Stadt herauszugehen. Und wenn die Leute ihr Gemüse wieder selbst anbauen wollen, landen sie schnell im Schrebergarten oder beim Urban Gardening.“
In Zeiten, da die Zeitschrift „Landlust“ Rekordauflagen feiert und Kleingärtner in Charlottenburg-Wilmersdorf mit Bürgerentscheiden die Politik aufmischen, scheint die neue Schau exakt den Zeitgeist zu treffen. Genau am richtigen Ort. Erst kürzlich übernahm das Bezirksparlament mit breiter Mehrheit den Kleingärtner-Ruf nach Sicherung aller freien Grünflächen.
Berlin gegen die Weiten Brandenburgs getauscht
Janos Frecot selbst setzt sich dem Kampf um Beete und Neubauten nicht mehr aus. Er hat Berlin bewusst den Rücken gekehrt – und bestellt seinen kleinen Acker lieber in den Weiten Brandenburgs. Dabei ist die Zusammenstellung der Werke in den Wilmersdorfer Galerieräumen aber alles andere als provinziell. Manche der Werke schafften es schon ins Victoria and Albert Museum in London. Die Landlust mag einmal kleinbürgerlich-deutsch gewesen sein. Heute taugt sie zum europäischen Projekt. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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