Gespräch mit einer Tierärztin
Auch Haustiere brauchen einen Hausarzt
„Seitdem ich eine Katze habe“, sagte mir eine Bekannte, „ist mir erst bewußt, daß Haustiere auch alle Krankheiten haben können wie Menschen.“ Tierärztin Carolin Hallmann kann das bestätigen. Und fügt hinzu: „Für Katzen sind besonders typische Gründe für einen Arztbesuch Nieren- und Zahnerkrankungen, Verletzungen nach Fensterstürzen und bei freilaufenden Tieren auch Bißwunden. Bei Hunden sind es Magen-Darm-, Ohr- und Augen-Erkrankungen sowie Lahmheit und Bißwunden. Zusätzlich kommen bei beiden Tierarten häufig Arthrosen und Allergien vor.“ Auch Altersdemenz tritt bei ihnen auf.
Katzen und etwas mehr Hunde – in den letzten beiden Jahren während Covid-19 wurden „unglaublich viele Hunde angeschafft“ – sind das Hauptkontingent ihrer Patienten. Daneben auch Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäuse, Hamster und ab und zu eine Schildkröte. „Vögel wie Wellensittiche sehe ich nur gelegentlich, eher einen verletzten Wildvogel, also eine Taube oder eine Amsel.“
Hausarzt für Haustiere
Carolin Hallmann praktiziert seit 2016 in der Gasteiner Straße. Sie trat damals die Nachfolge von Gilbert Schmidt an, an den noch vieles erinnert: Der reichliche Pflanzenwuchs am Fenster zur Straße, die großen Aquarien, in denen sich ein gewisser „Aalfred“ aufhält, die Hofbepflanzung, die vom Sprechzimmer aus sichtbar ist – darunter ein Tümpel mit Kröten und fingerlangen Fischen namens Moderlieschen –, sind seiner Initiative zu verdanken.
Carolin Hallmann ist Allgemeinmedizinerin für Tiere, erste Anlaufstelle und Ansprechpartnerin für Tierhalter aus der Umgebung. „Ich bin sozusagen der Hausarzt für Haustiere.“ Dabei geht ihre Tätigkeit über die eines Allgemeinmediziners für Menschen deutlich hinaus, denn „als praktische Tierärztin röntge ich Herz, Lunge, Bauch und Knochen und führe Weichteil-Operationen wie Kastrationen oder die Entfernung von Hauttumoren durch, ebenfalls Zahnbehandlungen “.
Team Mensch–Tier
Als Tierärztin ist ihre Hauptaufgabe, Tiere zu heilen oder wenigstens ihr Leiden zu mildern. Zusätzlich liegt ihr noch etwas weiteres am Herzen: mit beizutragen zu einer angemessenen Berücksichtigung der tierischen Bedürfnisse im „Team Mensch–Tier“. „Eine Stärke der Haustiere ist ihre Anpassungsfähigkeit an fremde Umgebung. Sie kann von Haltern leicht falsch verstanden werden und dazu führen, daß sie ihr Tier vermenschlichen. Dann kriegt der Hund Würstchen, bis er viel zu dick ist. Oder die Bedürfnisse der Katze nach Sicherheit, Ruhe, Beschäftigung und festem Zeitrhythmus werden nicht beachtet.“
Zur Vermenschlichung gehöre auch der oft bei Haltern entstandene Eindruck: „Mein Tier liebt mich so!“ Dazu Carolin Hallmann: „Die Bindung zwischen Mensch und Tier ist überhaupt nicht zu unterschätzen. Sie ist beim Hund, der ein Rudeltier ist, größer als bei einer Katze. Aber beide leben vor allem in der Gegenwart, der Hund vielleicht noch mehr als die Katze. Daher hält die emotionale Bindung der Tiere zu ihren Menschen auch nur so lange an, wie sie in Gemeinschaft leben .“
Qualzucht
Und dann ist da die züchterische Herrichtung von Tieren, wie es manches Menschenherz je nach der Mode erfreut. „Wir Tierärzte nennen es Qualzucht.“ Beispiele bei den Hunden sind Bulldoggen und Möpse, die durch ihren verkürzten Schädel mit der platten Nase schnell in Atemnot geraten bis hin zu Erstickungsanfällen, besonders im Sommer. Oder bei den Katzen etwa die Schottische Faltohrkatze (Scottish Fold), die abgeknickte Ohren hat, aber nur, weil sie an einem unheilbaren Gendefekt leidet, der im Laufe ihres Lebens notwendigerweise zu sehr schmerzhaften Deformationen an Knorpeln und Knochen in ihrem ganzen Körper führt. „Diese Qualzüchtungen werden immer mehr. Es geht nur darum, ob es Menschen gefällt, nicht, ob es dem Tier gut geht.“ Daher ist es Carolin Hallmanns Wunsch, daß die zukünftigen Tierhalter sich vorher beraten ließen.
Tierwohl hat seinen Preis
Solche Beratung wäre aufgrund ihrer Erfahrungen auch im Hinblick auf die medizinischen Kosten, die ein Haustier verursachen kann, sinnvoll. „Ein Haustier richtig zu halten, kann viel Geld kosten – und die Auseinandersetzung darüber mit den Haltern kann für uns Tierärzte recht belastend sein, besonders, wenn der Halter emotional aufgewühlt hier mit seinem kranken Tier ankommt. Für unsere Vergütung gilt die Tierärztegebührenordnung, genauso wie es eine Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte gibt. Dazu kommen noch die Kosten der Labore und Medikamente. Wenn daher ein Halter sagt: ‚So viel? Ich habe aber nur 100 Euro‘, dann ist eventuell nur eine reduzierte Diagnostik möglich oder keine Operation.“ Zunehmend werden Krankenversicherungen für Tiere abgeschlossen, die in Umfang und Kosten genauso unterschiedlich sind wie die für ihre Halter.
Zu früh? Zu spät?
Tiere zu heilen oder ihr Leiden zu mildern und darüber hinaus grundsätzlich das ‚Team Mensch--Tier‘ zu fördern – das gefällt Carolin Hallmann an ihrem Beruf. Aber auch bei Tieren sind nicht alle Krankheiten heilbar, und auch nicht immer sind ihre Besitzer von der Notwendigkeit einer Behandlng zu überzeugen. „Am belastendsten ist es, Tiere in der Zeit vor ihrem Sterben zu begleiten, sie vielleicht einschläfern zu müssen und ihre Besitzer, besonders wenn es alte, einsame Menschen sind, bei ihrer Trauer zu begleiten. Es ist extrem unterschiedlich, wie der Tod eines Tieres betrauert wird. Einmal kam ein Halter schon drei Wochen später mit einem neuen Tier an. Wurde da nur eins gegen ein anderes ausgetauscht? Ich weiß es nicht. Aber ich erlebe immer wieder, daß Einschläfern die schwierigste Entscheidung ist und im nachherein bedrückende Fragen aufwirft: War es zu früh? Zu spät? Eine Erlösung? Hätte ich vorher mehr für mein Tier tun müssen? – Man sollte sich Zeit nehmen zum Trauern. Und darüber reden.“
Dies ist die leicht bearbeitete Fassung des ursprünglich im Heft Dezember 2022 von KiezWilmersdorf erschienenen Beitrags.
Autor:Michael Roeder aus Wilmersdorf |
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