Roter Mund zeigt Haltung
Ein Nachmittag bei René Koch

René Koch mit Plakaten einer Kosmetikserie aus der DDR. | Foto:  K. Rabe
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Es ist das einzige Lippenstiftmuseum der Welt. In einer herrschaftlichen Altbauwohnung in Wilmersdorf hat Starvisagist René Koch es vor fast 15 Jahren in seinem damaligen Beautysalon eingerichtet. Doch nicht nur die Exklusivität macht das Museum zu etwas Besonderem. Vielmehr sorgen Koch selbst und die riesige Sammlung von Lippenstiften und anderen Kosmetik-Utensilien für Einzigartigkeit.

Schon beim Betreten des Museums wird der Besucher von einer ganz besonderen Atmosphäre eingefangen: viel Licht, viel Glas und überall Spiegel, die dafür sorgen, dass die Räume endlos erscheinen. Überall hängen auch Fotos, Plakate, gerahmte Postkarten. Im Eingangsbereich sind die Wände voll mit der berühmten „Kussmund-Sammlung“. Prominente Frauen, und inzwischen auch ein paar Männer, haben ihre geschminkten Lippen auf Papier oder den sogenannten Knutschbär gepresst und das Ganze mit einem Autogramm und manchmal auch mit einer kleinen Widmung versehen. Da sind die Münder von Milva, Mireille Mathieu, Bonnie Tyler, Ute Lemper, Helga Hahnemann, aber auch von Renate Künast zu entdecken. Insgesamt sind es inzwischen an die 180 Abdrücke.

Sonderausstellung zu Hildegard Knef

Mit dabei ist natürlich auch der Mund von Hildegard Knef. René Koch betreute sie nicht nur als Visagist, er war auch eng mit der Knef befreundet. Sie war sein „Lieblingsstar“. Das ist auch der Grund, weshalb er der Diva eine Sonderausstellung widmet, die zur Zeit in seinem Museum zu sehen ist. In einem Extraraum präsentiert Koch ihre Hüte, ihre Kleider, ihre Kosmetik und auch die Briefe und Postkarten, die er von seiner langjährigen Freundin bekommen hat. Dazu gibt es die eine oder andere Anekdote über die Diva. „Hildegard Knef war eine ganz besondere Frau und Ausnahmekünstlerin“, schwärmt er. Und eigentlich war es auch die Knef, die den Anstoß für das Lippenstiftmuseum gegeben hatte. Denn angefangen hatte alles mit dem kleinen roten Volkslippenstift, den die Schauspielerin 1952 mit den Worten „Ich finde ihn wirklich prächtig – diesen VL“ beworben hatte. Der Preis des kleinen Sticks: 1,50 Mark. „Sie schenkte mir den Volkslippenstift, als dieser ausgedient hatte. Das war der Beginn meiner Sammelleidenschaft“, sagt Koch. Als Promi-Visagist sammelt er seither die Lippenstifte von Showstars und Promis, die er schminkte.

Über 100-jährige Geschichte des Lippenstifts

Heute gehören zu seiner einzigartigen Privatsammlung unzählige Lippenstifte, mit denen Koch auch die über 100-jährige Geschichte des Lippenstifts erzählt: Angefangen vom allerersten Lippenstift, der 1883 zur Weltausstellung in Amsterdam von Pariser Parfümeuren vorgestellt wurde und ein wenig respektlos „Saucisse“, zu deutsch: Würstchen, genannt wurde, aber eigentlich „stylo d’amour hieß und wie ein Zäpfchen in einer „Zäfpchenmaschine“ in Form gebracht und in Seidenpapier gewickelt wurde. Weiter geht es mit Lippenstiften der Filmstars aus der Stummfilm-, Tonfilm- und Farbfilmära bis hin zu Stiften, die in edlen, kunstvoll verzierten Hüllen stecken. Wenn Koch die Lippenstifte nicht von ihren Trägerinnen geschenkt bekam, wurde er oft auf Flohmärkten fündig. Komplettiert wird die Lippenstiftsammlung durch Hunderte Exponate rund um Kosmetik und Schönheit.

Lippenstift ist auch ein Politikum

Der Besuch des Museums ist auch ein Exkurs in die Geschichte der Emanzipation der Frau. „Es gab Zeiten, das war es Frauen untersagt, sich zu schminken“, sagt der Experte. Bei den Nationalsozialisten beispielsweise galt: eine deutsche Frau raucht nicht, trinkt nicht und schminkt sich nicht. Im Grunde sei ein Lippenstift auch ein Politikum, sagt Koch. Er gibt Frauen in unterdrückten Ländern Selbstbewusstsein und Mut. Ein rot geschminkter Mund zeige auch Haltung und helfe den Trägerinnen, ihre Menschlichkeit und Würde zu bewahren.

Anmeldung zur Führung

Regelmäßig führt René Koch durch seine Sammlung. Die Führungen finden mittwochs und sonnabends statt. Sie dauern zirka zwei Stunden und sind weit mehr als „nur“ ein Museumsbesuch. „Es ist ein Event, wie ein Theaterstück“, sagt er. Nach einem Sektempfang zum Kennenlernen der Runde geht es durch die Ausstellung. In einer Pause gibt es Kaffee oder Tee und Gebäck, am Ende findet man sich am ehemaligen Schminkplatz der Knef wieder. Dazu gibt es jede Menge Anekdoten und auch den einen oder anderen Schminktipp. Eine Teilnahme ist nur nach Anmeldung möglich und wenn freie Plätze verfügbar sind. Die Hildegard Knef-Sonderausstellung im Lippenstiftmuseum, Helmstedter Straße 16, ist noch bis zum 1. Februar, dem Todestag der Schauspielerin, zu sehen.

Anmeldungen per E-Mail an info@lippenstiftmuseum.de oder unter der Telefonnummer 030/854 28 29. Weitere Infos auf www.lippenstiftmuseum.de.

Autor:

Karla Rabe aus Steglitz

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