Gute Stube der Filmemacher: Besuch im Kino am Bundesplatz
Wilmersdorf. Unterhaltung ganz ohne Popcorn: Für den zweiten Teil der Serie „Unser Kiez – Rund um den Bundesplatz“ sprach Reporter Thomas Schubert mit den Betreibern des Bundesplatz-Kinos.
Martin Erlenmaier und Peter Latta sehen ihre 87-sitziges Reich als Gegenentwurf zu den riesigen Blockbuster-Tempeln Berlins. Seit vier Jahren leiten sie mit fünf Mitarbeitern die Geschicke in einem Saal, der als „Lichtspiele Kaiserplatz“ schon in den 1910er-Jahren von sich reden machte.
Wie behaupten Sie sich gegen die großen Cineplex-Kinos in der Stadt?
Peter Latta: Gegen die müssen wir uns gar nicht behaupten, weil die Blockbuster zeigen und wir nicht. Damit besteht null Konkurrenz. Schwierig ist die Situation in der Hinsicht, dass Berlin in Deutschland das breiteste Spektrum an Kinos hat, die Arthouse-Filme bringen – zu denen gehören wir. Und da muss man seinen Platz finden. Bei uns gibt es viele Sonderveranstaltung. Zum Beispiel die Reihe „50 Jahre Kuratorium Deutscher Film“. Wir sind das Kino, das bundesweit die umfassendste Retrospektive dazu bringt. Und grundsätzlich haben wir vor jedem Film die direkte Ansprache zu unseren Besuchern.
Martin Erlenmaier: Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir sind gegenüber den Multiplex-Kinos so ziemlich am anderen Ende.
Was waren die erfolgreichsten Filme der vergangenen Jahre?
Martin Erlenmaier: In diesem Jahr gibt es keinen klaren Favoriten. Relativ stark waren „Die Wolken von Sils Maria“ und „Das ewige Leben“. Aber 2014 stand ganz klar der Dokumentarfilm „Mitsommernachts-Tango“ an der Spitze. Ein echter Überraschungserfolg. Witzig, originell und beliebt beim Publikum.
Peter Latta: Richtig. Er hat bei der Besucherzahl sogar „Boyhood“, den Spielfilm des Jahres, noch übertroffen.
Welchen Kontakt pflegen sie zu Filmemachern in Berlin?
Martin Erlenmaier: Das ist etwas, das uns besonders wichtig erscheint. Wenn es irgendwie möglich ist, kommen Filmemacher zu den Vorführungen, vor allem wenn es Regisseure aus Berlin sind. Und das Publikum nutzt die Gelegenheit, um Fragen zu stellen.
Peter Latta: Dietrich Brüggemann, der schon bei der Berlinale erfolgreich war, ist ein Freund des Hauses. Und eine ähnliche Beziehung pflegen wir zu Gerd Conradt. Viele Filmemacher schauen auch außerhalb von aktuellen Verpflichtungen gerne bei uns auf ein Gespräch vorbei.
Wie holt man junge Leute in die Kinosessel, die sich Filme eigentlich lieber im Internet ansehen oder herunterladen?
Peter Latta: In diesem Kiez haben wir überwiegend Besucher, die älter als 40 sind. Aber man sieht immer wieder, dass ein gut gemachter Arthouse-Film trotzdem junge Leute lockt. Und das, obwohl wir gar kein Popcorn haben.
Martin Erlenmaier: Wir setzen auch auf Kindervorstellungen und führen die Jüngsten so ans Kinoerlebnis heran. Dabei muss man mehr bieten als das bloße Abspielen. Was zählt, ist persönlicher Kontakt. Wir stellen den Kindern vorher Fragen, beziehen sie aktiv mit ein. Und wir zeigen ihnen Klassiker wie „Emil und die Detektive“.
Was macht den Charme des Bundesplatzes aus? Und welche Änderungswünsche haben Sie für den Platz?
Martin Erlenmaier: Es ist ein sehr urbaner Platz mit schönen und weniger schönen Seiten. Ihn zeichnet eine Lebendigkeit aus, die aber aufgrund der Teilung durch den Autotunnel gestört wird. Jedenfalls ist unser Bundesplatz immer gut für eine Überraschung. Und zur Atmosphäre hier vor Ort trage wir bei, wenn wir bei gutem Wetter Stühle hinausstellen, den Leute einen Verweilort bieten und das Anonyme durchbrechen.
Peter Latta: Den Charme macht für mich die Mühe der Initiative Bundesplatz aus, diesen Ort zu verbessern. Und da bleibt noch genügend Luft nach oben. Was sich vor allen Dingen verbessern muss, ist die Verkehrssituation. Man sollte die Teilung durch den Tunnel wieder rückgängig machen. Dann könnte die Leute hier vielleicht eines Tages richtig flanieren. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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