Möbel sind seine Leidenschaft
Seit seinem Schulabgang hat Wolfgang Zeh mit Holz zu tun, und das auf wechselnde Art und Weise. Zuerst war es die Anfertigung von Möbelstücken, seit 40 Jahren ist es deren Verkauf und nun schließlich deren Restaurierung. Eine wesentliche Rolle spielte die sich wiederholt ändernde Nachfrage nach Möbeln in der Umgebung seines Geschäfts am südlichen Ende der Fasanenstraße.
Früher, als sein Geschäft „Antikes & Tee“ hieß, da hatte Wolfgang Zeh auf dem breiten Gehweg vor seinem Laden unter dem Ahorn ein Tischchen aufgestellt, an dem es Tee für Nachbarn und Kunden gab. Und er führte dort in der Öffentlichkeit vor seiner Ladentür gelegentlich kleinere Restaurierungsarbeiten durch, die bei vorbeigehenden Kindern und bei vorbeigehendem Ordnungspersonal auf ein je nach Alter und Beruf durchaus unterschiedliches Interesse stießen.
Lehre und erste Berufserfahrung
Den Anstoß zu seinem erlernten Beruf hatte Wolfgang Zeh aus dem Werkunterricht an der Schule erhalten. „Ich wollte etwas Praktisches erlernen, etwas mit den Händen.“ So ging er nach der 10. Klasse bei einer kleineren Tischlerei in Neukölln in die Lehre. Man fertigte dort Möbel an, zum Beispiel Bibliotheksschränke, an denen er als Lehrling mitarbeiten durfte. „Dort wurden Hölzer aus drei Generationen gelagert und bei Bedarf immer wieder nachgekauft.“ Heute nahezu undenkbar, da meist furniertes Sperrholz – „Echtholz“ genannt – zur Herstellung von Mobiliar benutzt wird.
Nach der Lehre hat Wolfgang Zeh jedoch nur kurz als Tischler gearbeitet. In diese Zeit fiel seine Tätigkeit bei Loewe Opta: „Ich habe damals dort Radiogehäuse zusammengesetzt. Es war wie am Fließband.“ Der Bau von Ladentheken bei der Arbeitsstelle davor war hingegen Einzelanfertigung und daher ansprechender. „Dann kam mir die Idee: weg von der Werkbank und am Abendgymnasium eine kaufmännische Lehre machen.“ Nach den drei Jahren begann er im Möbelgroßhandel. „Das war interessant, weil ich einerseits mit einzelnen Kunden, andererseits mit dem Einzelhandel zu tun hatte. Übrigens, als Firmenwagen hatten wir einen Hansa 1100, dessen Armaturenbrett aus poliertem Holz bestand. Bald darauf machte ich mich selbständig und ging zunächst mit dem Katalog des Großhändlers zu meinen Kunden, um sie zu beraten und die Möbel aufzustellen.“
Eigene Geschäfte
Vor 40 Jahren war es dann so weit, dass Wolfgang Zeh sein eigenes Geschäft eröffnete, in einem vormaligen Fleischerladen in der Fasanenstraße 47, kurz vor dem Hohenzollerndamm. „Ich spezialisierte mich auf italienische, französische und englische Einzelstücke, die ich über den Möbelgroßhandel erhielt: Sekretäre, Spiegel, Sessel … Das Besondere an diesen Möbeln war, dass sie sich deutlich von der deutschen Massenware unterschieden: Intarsienarbeiten aus Italien, zierliche französische Salonmöbel aus rötlich-braunem Kirschholz, aus England Mahagoni-Klapptische und andere Variationsmöbel, zum Teil mit Messingapplikationen.“ Später wurde die Produktionsidee allerdings von Kaufhäusern aufgegriffen, und sie ließen ganz ähnliche Möbel in Großserie herstellen, zum halben Preis.
„Als diese Ecke hier, also Fasanenstraße und Umgebung, anfing nach antiken Möbeln zu verlangen und neue Möbel nicht mehr liefen, eröffnete ich vor gut 30 Jahren direkt gegenüber, in Nummer 55, einen weiteren Laden und gab bald darauf den anderen auf. Zwar heißt es auf meiner Visitenkarte „Antik von 1820 bis 1940“, das sollte aber nur als Orientierung für meine Kunden dienen. Es finden sich auch Einrichtungsstücke von außerhalb dieses Zeitraums“, und dabei zeigt Wolfgang Zeh auf eine venezianische Säule aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. „Unter meinen Kunden waren Schauspieler, Mitglieder der Berliner Philharmoniker, Eberhard Diepgen und Loriot. Loriot war damals gerade in der Nachbarschaft gezogen. Er kam hier rein und ging bis ganz nach hinten in den letzten Winkel, wo sonst kaum je ein Kunde hinkommt. Dort fand er eine Jugendstil-Spiegelanrichte von Richard Riemerschmid, und die nahm er mit.“ Hier wäre zu ergänzen, dass Richard Riemerschmid zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der führenden Entwerfer von Möbeln in klaren, strengen Formen war, und zwar sowohl für das gehobene Bürgertum in Handarbeit als auch für die maschinelle Produktion, um preisgünstige Produkte für die breite Masse herzustellen. Man sprach damals von „Maschinenmöbeln“.
Restaurierung
Die Nachfrage nach antikem Mobiliar hat stark nachgelassen. Im Umfeld von Wolfgang Zeh führte das zum Ende von vier Antikgeschäften. „In neu eingerichteten Wohnungen herrscht heutzutage Minimalismus. Seit fünf Jahren sind skandinavische Möbel angesagt, zum Beispiel zierliche Schalensitze, oft aus Kunststoff oder Leimholz, die auf ihren konisch zulaufenden Spitzbeinen zu schweben scheinen.“ Leimholz – oder Brettschichtholz – besteht im Unterschied zu Vollholz aus mindestens drei Lagen verleimter Hölzer, es ist äußerst stabil, weshalb es für Holzmöbel vielseitig verwendbar ist. Aber Wolfgang Zeh ist sich sicher, auch wenn er es nicht mehr erleben wird: „In 20 Jahren ist der Zyklus beendet, und antike Möbel sind wieder gefragt. Es ist wie bei der Bekleidungsmode, nur wiederholt sich dort alles schneller.“ Infolgedessen besteht jetzt seine hauptsächliche Arbeit darin, Möbel zu erhalten, also zu schleifen, polstern, aufarbeiten, polieren, malen. In gewisser Weise ist er damit bei seinem Ausgangspunkt wieder angekommen: bei der Tischlerei.
40 Jahre Wandel
Den Wandel – man könnte auch sagen: das Aussterben – beobachtet Wolfgang Zeh schon lange auch bei anderen Metiers an seinem Ende der Fasanenstraße. So ist aus der Kohlehandlung gegenüber die Bar 47 geworden, an der Ecke Pariser Straße ist anstelle von Frau König und ihrer losen Milch ein Einrichtungsgeschäft eingezogen, auch den Tante-Emma-Laden in der Pariser Straße gibt es schon lange nicht mehr. Gegenüber auf der anderen Ecke von Pariser und Fasanenstraße befanden sich einst fünf Antiquariate, in denen später Sound&Drumland residierte; dieses bekannte Musikgeschäft ist jetzt in Kreuzberg. Die Fotogalerie Pernkopf, einst rechts um die Ecke in der Pariser Straße, ist schon lange verzogen, die Galerie Taube, links um die Ecke, gegründet 1973 und bekannt für ihre Ausstellungen zeitgenössischer gegenständlicher Kunst, ist nach eigenen Angaben „nicht ganz geschlossen“. Und die Galerie Bremer in der Fasanenstraße 37 hat vor einem Dutzend Jahren aufgehört zu existieren. Wolfgang Zeh zieht aus seinen Beobachtungen diesen Schluss: „Es ist der Abgesang des Einzelhandels.“
Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht im April-Heft von KiezWilmersdorf.
Autor:Michael Roeder aus Wilmersdorf |
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