Keimzelle der elektronischen Musik
Musiker will Erinnerung an Elektropop erhalten
In Wilmersdorf, in einem kleinen Musikstudio, wurde vor über 50 Jahren der Grundstein für die elektronische Musik gelegt. 1968 gründete der jüdische Musiker Konrad Latte das Beat Studio, in dem junge Musiker ungestört experimentieren und Musik machen konnten. Dieses Studio war so etwas wie die kreative Keimzelle für die „Berliner Schule für Elektronische Musik“.
Außer bei Kennern der Szene ist es weitgehend unbekannt, dass sich in einem Keller in Wilmersdorf junge Musiker trafen, die sich für den „technischen Sound“ begeisterten und dass von hier aus die elektronische Popmusik die Musikwelt eroberte. Bands wie "Agitation Free", "Tangerine Dream" und "Ash Ra Tempe", sowie Solo-Künstler wie Manuel Göttsching, Klaus Schulze und Michael Hoenig bastelten im Electronic Beat Studio an ihren Sounds und haben diese Musik in der ganzen Welt bekannt gemacht.
Seit der Kindheit Fan von Synthesizer-Klängen
Der Musiker Bernd Kistenmacher ist Jahrgang 1960 und seit seiner Kindheit ein großer Fan von Synthesizer-Klängen. Er zählt sich selbst zur zweiten Generation der Berliner Schule. Er sei mit dieser Musik aufgewachsen und schon sehr früh an elektronischen Klängen interessiert gewesen, erzählt er. Eine Faszination, die ihn bis heute nicht mehr losgelassen hat.
Auch das ist wohl ein Grund, warum er dafür sorgen will, dass diese Musikrichtung, ihre Entwicklung und Verbindung zu Westberlin nicht in Vergessenheit gerät. Er hat ein Buch über die Berliner Schule geschrieben. Darin geht es aber nicht so sehr um die Stars der Szene. „Ich habe viel recherchiert und mit Leuten gesprochen, die in der Geschichte der elektronischen Musik eine Rolle spielten“, erzählt Kistenmacher. Dazu gehörten auch Techniker, Radiomoderatoren und andere Wegbegleiter. Alle erzählen, wie sie diese Zeit erlebt hatten.
Mit Konrad Latte fing alles an
Seine Lieblingsgeschichte handelt aber davon, wie alles begann. Nämlich mit dem Engagement von Konrad Latte. Die Geschichte des jüdische Musikers, der in der NS-Zeit verfolgt wurde und Überlebender des Holocaust war, bewegte Kistenmacher sehr. Latte, damals Leiter des Barock-Orchesters, richtete 1968 im besagten Keller den Übungsraum ein. Ohne seinen Einsatz wäre die Geschichte der elektronischen Musik wohl ganz anders verlaufen. Latte holte den damaligen Kunststudenten Thomas Kessler als Leiter des Studios ins Boot. Kessler baute es auf und machte es zum „Electronic Beat Studio“. Bis zum Umzug des Studios im Jahr 1984 hatten hier etliche Bands ihre musikalische Karriere gestartet. Das waren übrigens nicht nur Bands, die sich der elektronischen Musik verschrieben hatten. Auch Rammstein, Ideal, die Neon Babys oder Nina Hagen machten im Keller in der Pfalzburger Straße Musik. Seit Dezember erinnert eine Gedenktafel am Eingang der Nelson-Mandela-Schule daran, dass hier einst Musikgeschichte geschrieben wurde. Die Initiative zu dieser Tafel ging von Bernd Kistenmacher aus.
Musiker und Produzent
In seinem Buch beschreibt Kistenmacher auch seine eigenen Erlebnisse, erste Berührungspunkte und seine musikalische Laufbahn. Schon als elfjähriger Knirps entdeckte er die sphärischen Klänge von Pink Floyd und "Tangerine Dream" für sich und hörte dann nur noch elektronische Musik in allen ihren Facetten. Als dann Anfang der 80er-Jahre die „Urväter“ des Synthesizer-Sounds auch andere Sachen ausprobierten, entschloss er sich, Instrumental- und elektronische Musik selbst zu machen und sie so zu erhalten. „Ich kaufte mir einen Synthesizer und dann ging es relativ schnell“, erinnert er sich. Er spielte live, gründete eigene Plattenlabels und produzierte auch andere Künstler.
Für sein Buch mit dem Titel „Ferne Ziele. Die Geschichte der Berliner Schule“ sucht der Musiker und Autor derzeit noch einen Verlag. Das allerdings gestalte sich in Zeiten von Corona schwierig.
Mehr über Bernd Kistenmacher auf berndkistenmacher.com.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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