Besuch beim Radiomann
Peter Glowasz schnitzt sich mit 70 Jahren seinen Traumberuf selbst
Wenn von Peter Glowasz etwas zu lernen ist, dann, dass es sich lohnt, seinen Traum zu leben – gegen alle Widerstände. Über seine Liebe zum Radio hat er deshalb im hohen Alter noch das erreicht, was ihm Zeit seines Berufsleben verwehrt blieb: Er ist Radiomoderator geworden. Ach so! Ein Buch hat der 82-jährige Wilmersdorfer auch noch geschrieben.
Und zwar anlässlich des 95. Geburtstages, den das Radio in Deutschland in diesem Jahr feiert. „Glaubt man nicht, oder? Aber so lange gibt es das schon“, sagt er. Glowasz sitzt hinten im Wiener Caffeehaus in Schmargendorf, mit dem Rücken zur verspiegelten Wand, den Laden im Blick. Es ist wohl einer seiner Lieblingsplätze, jedenfalls kennt er den Tischnachbarn zu seiner Rechten und auch die Dame zu seiner Linken scheint ihm nicht fremd. Vielleicht ist er auch nur ein geselliger Typ, jedenfalls plaudert sie eifrig auf ihn ein und als er zu erzählen beginnt, klebt auch sie an seinen Lippen.
Verrückt nach "Philetta"
Verständlich, denn das kann er gut. „Also: Ich bin schon im Alter von 15 Jahren ein Fanatiker gewesen, was das Radio betrifft. Mein sehnlichster Wunsch war, dass ich mal ein kleines Radio bekomme. Damals gab es von Philipps die berühmte 'Philetta'. Das war so ein kleines goldenes Radio. Und dann haben meine Eltern mir das tatsächlich zum Geburtstag geschenkt“, erinnert sich Glowasz mit glänzenden Augen. „Ich war überglücklich und habe dann praktisch von früh bis abends Radio gehört. So ging das los.“
„Unsterbliches Radio – 95 Jahre Rundfunk in Deutschland. Eine Erfolgsgeschichte“ heißt sein Buch, dass er anlässlich des 95-jährigen Geburtstages des Radios veröffentlicht hat. Er hat darin dessen Entwicklung festgehalten, die Technik erläutert, Tipps für Radiosender verankert und seine eigene Geschichte aufgeschrieben. Es ist zum Beispiel zu lesen, wie er vom Radio zum Tonband kam, das plötzlich trendy wurde, und er seinen ersten Dämpfer bekam: Der Besitzer von Radio Bläsche in Zehlendorf, wo er ab und an eine Schellackplatte der Schlagerstars Rudi Schuricke oder Bully Buhlan erstand, wusste um seine Leidenschaft zum Tonband und gab ihm das TK 40 von Grundig mit nach Hause – auf Pump. „Als mein Vater das gesehen hat, musste ich es zurückbringen“, erzählt Glowasz und irgendwie scheint ihn das immer noch traurig zu machen.
"Hör’ auf mit deinen Fisimatenten!"
Unterkriegen ließ er sich freilich nicht und ein paar Wochen später kaufte er sich in einem Geschäft am U-Bahnhof Onkel Toms Hütte ein kleineres Tonbandgerät von Saja. „Damit habe ich dann Aufnahmen gemacht, dabei den Moderator von RIAS kopiert und zwischendurch Musik eingespielt“, erinnert er sich. So sei in ihm der Wunsch entstanden, Radiomoderator zu werden. Glowasz nahm bei einer Schauspielerin Sprechunterricht. „Ich habe ein paar Stunden genommen, dann ist mir das Geld ausgegangen. Als ich meine Mutter gefragt habe, ob sie mich unterstützen könnte, hat sie mir kurz und bündig gesagt: ,Hör’ auf mit deinen Fisimatenten!’ Da hatte sich das auch wieder erledigt.“
Glowasz blieb hartnäckig, lernte Moderatoren-Legende Fred Ignor kennen. Der besorgte ihm günstig das Profi-Tonbandgerät M15 von Telefunken. „Mit 1000-Meter-Bändern. Diese Geräte sind heute noch im Einsatz, damit die Sender die alten Aufnahmen abspielen und dann digitalisieren können.“ Statt des Neupreises in Höhe von 30000 Mark bezahlte Glowasz 800, später staubte er zu ähnlich günstigen Konditionen ein zweites M15 von Sender Freies Berlin ab. Jetzt konnte er mischen und so begann er, zuhause eigene Sendungen zu produzieren.
Kaffee trinken mit Bully Buhlan
Glowasz war ein schneidiger Bursche. Mit 30 Jahren hat er von einem Bekannten einen gebrauchten Porsche erworben und war mit ihm oder seinem Vespa-Roller als „Fliegender Radioreporter“ in Berlin unterwegs, um Menschen für seine Sendungen zu interviewen. Dabei lernte er viele Prominente kennen. Er saß auf der Terrasse der Villa von Bully Buhlan und trank mit ihm Kaffee. Er konnte Harald Juhnke dafür gewinnen, ihn bei seinem Weihnachtsfilm zu unterstützen – einfach indem er bei ihm klingelte, und von Juhnke im Morgenrock begrüßt und hereingebeten wurde. Der gelernte Kaufmann Glowasz hat viele Tätigkeiten ausgeübt. Er hat bei Industriebetrieben, Banken und beim Berliner Senat gearbeitet, war nebenher als Redakteur bei Magazinen und Zeitungen als Reporter, Bildjournalist und auch als Buchautor unterwegs. Eine Stelle als Radiomoderator hat er nicht gefunden. Also hat er sie sich im Jahr 2006 selbst gebastelt.
Sein Sender im Internet heißt "Nostalgie Radio"
Er gründete einen Verlag und einen Internet-Radiosender mit dem Namen "Nostalgie Radio". Dort verwertet er seine Sendungen, die sich im Laufe der Jahrzehnte in seinem Archiv angesammelt haben. Er digitalisiert sie und spielt sie ab oder verkauft sie bei Bedarf als CD. Er betreibt eine Internetseite, auf der mittlerweile mehr als 100 000 Besucher zu Gast waren. „Zielgruppe sind Hörer im Mittelalter, die das Gros der modernen Interpreten als Schreihälse bezeichnet. Ich fülle da eine Lücke aus“, sagt Glowasz und grinst.
Internet: Fluch oder Segen?
20 Jahre war der Wilmersdorfer mit dem Hut auf dem Kopf und dem Grammophon auf der Krawatte verheiratet. Wie seine Eltern wollte auch seine Frau ihm gern die Flausen mit dem Radio austreiben. „Wäre es nach ihr gegangen, hätte ich mein Archiv wegwerfen sollen. Schließlich koste das nur Geld.“ Hat er nicht gemacht und deshalb hat er jetzt so viel Material, dass er Zeit seines Lebens seinen Sender bespielen kann. Ob das Internet Fluch oder Segen ist? Für den Radiomann ist das keine Frage. Obwohl er von den technischen Errungenschaften der Neuzeit profitiert, hat er seine Wurzeln nicht vergessen. Und deshalb steht bei ihm zuhause noch immer die kleine, goldene Philetta im Regal.
Das Buch „Unsterbliches Radio – 95 Jahre Rundfunk in Deutschland. Eine Erfolgsgeschichte“ von Peter Glowasz ist über seine Homepage www.peterglowasz.de bestellbar. Über die Internetseite ist auch sein Internet-Radiosender Nostalgie Radio zu erreichen.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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