"Älter werde ich später!"
René Koch wird 75 Jahre
Mr. Lipstick, René Koch, wird am 22. September 75 Jahre. Eigentlich sollte es eine rauschende Geburtstagsparty geben mit vielen seiner prominenten Freunde und Kunden. Doch wegen Corona werde das verschoben, sagt der Star-Visagist und ergänzt: "Älter werde ich später!"
Der Starvisagist ist auch mit 75 immer noch auf Trab: TV-Shows, Schminkkurse, Lippenstiftmuseum, Bücherschreiben – langweilig wird es ihm nie. "Was heißt schon mit Anstand alt werden?“, sagt er. Er möchte lieber „mit Anstand jung bleiben“. Im Zeitalter von Botox & Co. setzt er allerdings mehr auf Lebenslust statt Altersfrust: "Lachfältchen sind besser als Kummerfalten." Heute kann er auf eine internationale Karriere als Visagist und Kosmetikexperte zurückblicken, hat die Schönen und Reichen geschminkt, gestylt und beraten, darunter Hildegard Knef, Shirley Bassey, Joan Collins, Brigitte Nielsen, Claudia Schiffer. 21 Jahre war er Chef-Visagist für „Yves Saint Laurent Beauté“ und den Kosmetikriesen „Charles of the Ritz“.
Seit Jahrzehnten Beauty-Experte
der Berliner Woche
Seit Jahrzehnten ist er auch der "Beauty-Experte" der Berliner Woche, hat gemeinsam mit Star-Friseur Udo Walz in der Redaktion am Telefon gesessen und unsere Leser rund um Schönheit, Haut und Haar beraten. Seine saisonalen Beautytrends fanden regelmäßig begeisterte Leser. Die Berliner Woche sprach mit dem Jubilar über sein Leben, seine Zeit, seine Zukunft.
Was war Ihr lustigstes Erlebnis?
René Koch: Als ich mit Hildegard Knef auf Tournee war und Hilde vor ihrem Auftritt ein Gläschen Champagner bestellte, passierte Folgendes: Der Kellner öffnete die Garderobentür und es gab kurz Durchzug. Zuvor hatte ich ein Auge mit ihren berühmten Wimpern geklebt, jetzt war das zweite Wimpernband verschwunden. Es begann ein hektisches Suchen auf und unter dem Tisch. Erst als die Knef höchstpersönlich unter diesen gekrochen war, entdeckte ich die Wimpern unter ihrem rechten Schuh, wohl vom Luftzug heruntergeweht. Hilde trat darauf, die Wimpern klebten an der Sohle, nun allerdings flach wie eine Flunder. Wir haben herzlich gelacht.
Welcher Moment hat Sie besonders berührt?
René Koch: Seit Jahrzehnten widme ich mich der Camouflage, dem kosmetischen Abdecken von Hautanomalien. Besonders in Erinnerung ist mir der Moment, als der kleine Sohn einer Betroffenen mit schweren Brandverletzungen und Narben nach einer perfekten Camouflierung zu ihr sagte: "Mama, jetzt bist du wieder schön!" Da kamen uns allen die Tränen. Für das langjährige ehrenamtliche Engagement für Menschen mit stigmatisierenden Hautanomalien habe ich übrigens den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (2002) und den Verdienstorden des Landes Berlin erhalten (2013).
Sie leben schon lange in der Stadt. Wie ist Ihre Beziehung zu Berlin?
René Koch: Berlin war vom ersten Moment an "meine" Stadt, als ich 1963 von der Provinz nach West-Berlin kam. Hier durfte ich in den prüden 60er-Jahren ich sein. Ich begann mich als Drag-Queen in Szene zu setzen und aufzutreten. Schnell war mir klar: Warum nicht auch andere schminken? Ich ging zur Kosmetikschule – das war der Grundstein für meine internationale Visagisten-Karriere. Übrigens war ich einer der ersten männlichen Kosmetikschüler.
Was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?
René Koch: Ich möchte mein Wissen an junge Visagisten und alle Kosmetikinteressierte weitergeben. Dazu gehört auch die von mir entwickelten Make-up-Technik des "Ertastbaren Schminkens" für blinde und schwer sehbehinderte Frauen in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein (ABSV). Weiterhin ist mein Herzenswunsch die Kulturgeschichte der Schönheit, vor allem die des Lippenrots, zu dokumentieren und zu präsentieren – und zwar von der Barockzeit über die Belle Epoque, den Stumm- und Tonfilm bis heute. Deshalb habe ich 2008 das Lippenstiftmuseum gegründet.
Haben Sie einen Rat für uns Jüngere?
René Koch: Nicht aufgeben, einfach weitermachen! So ist mein Motto jetzt mit 75. Ich möchte für die wachsende Zielgruppe 55, 60, 70 plus ein positives Bewusstsein schaffen. Nach Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes darf niemand benachteiligt oder bevorzugt werden. Leider steht da nicht „wegen seines Alters“. Dies will und kann ich nicht mehr so hinnehmen und arbeite auf eine Ergänzung hin. Deshalb schenke ich mir und allen Golden Agern die neue Internetplattform „Happy Aging statt Anti Aging“. Abschließend möchte ich sagen, und das gilt für Jung und Alt: Lauf nicht anderen hinterher, glaub‘ an dich, sei selber wer.
Autor:Manuela Frey aus Charlottenburg |
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