Garagentore abgeflext: Im Autobahn-Haus „Schlange“ verlieren Pkw ihre Umzäunung
Wilmersdorf. Privatgaragen auf dem Parkdeck – dieses Prinzip hat sich im Wohnkomplex Schlangenbader Straße überlebt, erklärt die Degewo. Nach und nach beseitigt sie alle Einzeltore. Und schürt damit Proteste der Mieterinitiative. Denn die Versicherungsprämien jedes Autohalters dürften kräftig steigen.
Wo sind nur die Gitter hin? Ein Tor nach dem anderen verschwindet dieser Tage aus den dunklen Zeilen. Sonja Scholz ist nicht amüsiert über den Verlust von bislang 29 privaten Garagen. Die Herabstufung der per Schloss geschützten Einzelstellplätze zu gewöhnlichen, offenen Parkhaus-Nischen. Scholz spricht für die Mieterinitiative des Wohnkomplexes Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße, einem gewaltigen Bauwerk mit über 1000 Wohnungen, durch das in sanftem Schwung die A104 führt. Europaweit einmalig. In den Eingeweiden dieser Wohnmaschine, die sich durch die Einverleibung einer Schnellstraße einerseits vor dem Auto verneigt, wird das parkende Auto andererseits entwertet. So sieht es jedenfalls ein Teil der Mieter. Bisher hatte jeder, der einen Stellplatz auf dem riesigen Parkdeck in Anspruch nimmt, eine individuelle Garage mit Gittertor. „Aber überall, wo neu vermietet wird, sägt die Degewo vorher die Tore ab“, beschwert sich Scholz. „Wir verstehen nicht, was das soll.“
Wird die Versicherung teurer?
Sie und Initiativengenossin Christine Wußmann-Nergiz stehen in den Katakomben und betrachten den Übergangszustand: Die einen Mieter haben noch Gittertore, bei anderen hat die Wohnungsgesellschaft Degewo als Eigentümerin der Anlage selbige demontiert. Ziemlich rabiat mit Hilfe einer Flex. Ob man eine verschließbare Privatzelle hat oder offen in einer der rund 800 Parkbuchten steht, wird sich auch beim Geld bemerkbar machen, fürchten die beiden Frauen: „Wenn man keine private Garage mehr hat, steigt der Versicherungsbeitrag für die Halter der Autos“, heißt der Einwand. Die Miete für den Stellplatz in Höhe von etwa 40 Euro bleibt bei weniger Schutz allerdings gleich.
Ein anderes Argument betrifft das Verfahren zur Ausweisung der 1980 errichteten Schlange als Baudenkmal. Dieser Schritt ist derzeit in Prüfung, wird aber durch die Abwandlung des Originalzustands gefährdet, meint Scholz.
Schon bei der Stilllegung der Müllabsauganlage im Jahre 2015 seien „Veränderungen im Gebäude der Schlange durchgeführt worden, die nicht hinnehmbar sind“. Nun verschwinden also auch die Tore, weil die Reparatur von defekten Garagentoren ins Geld geht, wie die Initiative vermutet. Dass solche kleinen Kostenpunkte zur völligen Abschaffung führen und Mieterbeschwerden überhört werden, wertet Scholz als „Arroganz der Macht“.
Gefahren vermeiden
Bei der Degewo wiederum nennt man ganz andere Gründe zur Entfernung der Gitter. Es geht hier demnach nicht um die Kosten, sondern um die Vermeidung von Gefahren beim Sanieren von Teilen der Garage. „Im Zuge notwendiger Baumaßnahmen am Dach mussten Teile der Garage komplett außer Betrieb genommen werden. Zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit aller Mieter haben wir uns in dem Zusammenhang entschlossen, die Tore der Einstellplätze zu demontieren. So können wir weiterhin den Bewohnern Stellplätze in einem abgeschlossenen Parkhaus zur Verfügung stellen und gleichzeitig die Sicherheit verbessern“, sagt Degewo-Sprecherin Claudia Sünder auf Nachfrage.
In der Vergangenheit habe es mit den Privatgaragen ständig Ärger gegeben. „Leider mussten wir immer wieder feststellen, dass die Garagen zunehmend von einigen Mietern als Lagerflächen, quasi als zusätzlicher Kellerraum, genutzt wurden. Dies ist aus brandschutztechnischen Gründen nicht gestattet und vertraglich ausgeschlossen und kann bei Zuwiderhandlungen zum Schließen der gesamten Garage führen. Bei besonders hartnäckigen Fällen sind Mieteranschreiben, Abmahnungen und Vertragskündigungen die Folge“, warnt Sünder.
Zuwiderhandlungen von einzelnen, die eine Mehrheit abbüßen muss? Die Mieterinitiative um Sonja Scholz und Christine Wußmann-Nergiz ist durch solche Aussagen nicht zu besänftigen. Eine Stellungnahme des Bau-Staatssekretärs Engelbert Lütke-Daldrup (SPD) dämpft zudem die Hoffnung, dass eine Ernennung zum Denkmal die Schlange im gewohnter Form konserviert.
Denn Daldrup und die Degewo sehen einen Schutzstatus des Riesenbaus kritisch und als „nicht zielführend“. Mit Denkmalauflagen wäre eine bevorstehende Sanierung der Schlange noch weitaus teurer als ohnehin schon. Mit dem Landesdenkmalamt laufen aber Gespräche, wenigstens bestimmte Teile des Gebäudes unter Schutz zu stellen. Die Garagentore gehören offensichtlich nicht dazu. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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