Noch viele Fragezeichen hinter Kunstwerk für jüdisches Leben
Charlottenburg-Wilmersdorf. Ein Leuchtzeichen für die Rückkehr des jüdischen Lebens nach Berlin – das ist es, was die Kantorin Avitall Gerstetter und ihr Partner Samuel Urbanik verwirklichen wollen. Sie planen ein Kunstwerk in Anlehnung an den Davidstern. Aber es schwelt ein Streit um den richtigen Ort.
Sie ist die erste überhaupt. Eine Frau im Amt des Kantors einer Synagoge gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Und schon bald könnte Avitall Gerstetter mit ihrem Namen für ein weiteres Novum stehen. Dann, wenn sie ein künstlerisches Zeichen für die Rückkehr des jüdischen Lebens in der deutschen Hauptstadt setzt. Mit ihrem Partner Samuel Urbanik und dem Designer Arik Levy, der schon in Brüssel und Singapur Skulpturen präsentierte, arbeitet sie an der Aufstellung eines drei mal drei Meter großen, beleuchtbaren Kunstwerks – möglichst auf dem prächtig mit Stauden bepflanzten Dreieck zwischen Kurfürstendamm und Olivaer Platz.
Ein Gewinn für die City West
Denkmäler für tote Juden gebe es genug, meint Samuel Urbanik. Jetzt will die Gruppe mit Einführung einer „Avitall-Collection“ Zeichen für die lebenden setzen. Das wichtigste wäre ein großes Exemplar des angedeuteten Davidsterns nach dem Entwurf von Arik Levy im öffentlichen Raum.
„Das ist ein Gewinn für die City West und Berlin“, wirbt Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) für Zustimmung. Er spricht von einem „Brückenschlag zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ Und ermuntert die Bezirksverordneten zur Herstellung eines Kompromisses.
Der wird nach jetzigem Stand auch nötig sein. Denn der Wunschstandort auf dem Staudendreieck ist bereits Gegenstand einer anderen Zeichensetzung. Hier legt der Landschaftsplaner Christian Meyer mit seinem Team seit 19 Jahren eine „Visitenkarte“ vor für die bestmögliche Pflege einer Grünfläche in einem Bezirk, der diese Arbeit selbst nicht mehr leisten kann. Und er zahlt als Pate mindestens 4000 Euro im Jahr aus eigener Tasche. Selbst ein Fernsehteam der BBC hat schon über die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer und Studenten, die sich durch Gartenarbeit etwas dazuverdienen, berichtet. Soll dieses Engagement nun in Frage stehen?
Mit Religion nichts am Hut
„Hier steckt System drin“, sagt der Gartenpate Christian Meyer mit Blick auf sein Staudenbeet. Da könne man nicht einfach das westliche Viertel des Dreiecks am Olivaer Platz für ein aus seiner Sicht religiös aufgeladenes Kunstwerks abtrennen.
„Ich habe mit Religion nichts am Hut – so wie 80 Prozent der Berliner“, kritisiert Meyer die Idee. Gegen seinen Willen wird es tatsächlich keine Veränderung geben, das hat ihm der Bezirk bei einem Ortstermin schon versprochen. Auch Urbanik möchte auf keinen Fall eine Verdrängung herbeiführen, sondern „eine friedliche Lösung“. Und er zeigt sich aufgeschlossen für andere Orte, so lange sie im westlichen Zentrum der Stadt liegen. Denn es gehe bei dem Projekt eben um die Rückkehr des jüdischen Lebens in die Mitte der Gesellschaft. Dorthin, wo es einst florierte.
Als Alternative gilt eine Verortung am Roseneck in Grunewald, was durch seine Randlage aber dem Charakter des Leuchtzeichens widerspricht. Kulturpolitiker diskutieren deshalb bereits über weitere Standortoptionen, etwa über den Walter-Benjamin-Platz oder andere Straßenecken am Kurfürstendamm.
Dies wäre wohl auch im Sinne von Maram Stern. Der Vertreter des World Jewish Congresses wertet die Aufstellung des Kunstwerks in einem Brief als „hervorragende Idee“. Es mache für alle sichtbar, „dass jüdisches Leben wieder einen sehr hohen Stellenwert in Deutschland und seiner Hauptstadt hat“.
Neben dem Standortproblem wird allerdings auch die Finanzierung des Projekts noch zu klären sein. Mindestens 18 000 Euro veranschlagt Urbanik für die Umsetzung. Und deshalb startet bereits eine Spendenkampagne, bei der man in einem Online-Shop das Kunstwerk in kompakter Größe erwerben kann. Wer das Vorhaben derart unterstützt, wird noch ein zweites Dankeschön erhalten: die Gravur des eigenen Namens auf den Armen des verfremdeten, drei Meter hohen Sterns. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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