Rathaus Wilmersdorf: Unzufriedene Flüchtlinge campieren draußen
Wilmersdorf. Bettwanzen, keine Kochstelle, kaum Perspektiven: Aus Protest gegen die von ihnen empfundenen Missstände schliefen Bewohner des Flüchtlingsheims Rathaus Wilmersdorf wiederholt im Freien. Betreiber und Bezirksamt sehen keinen Zustand, der das rechtfertigen würde.
Gar kein Dach über dem Kopf ist immer noch besser als solch ein Dach – unter dieser Annahme trieb es Flüchtlinge aus der Notunterkunft am Fehrbelliner Platz mehrfach vor die Türen ihres Heims. So campierten dort auch Großmütter und Kinder. Und der schweigsame Protest fand schnell jemanden, der ihn der Allgemeinheit erklärt: ehrenamtliche Helfer des Netzwerks „Moabit hilft!“. Sie halten die Zustände im früheren Rathaus Wilmersdorf, seit Sommer 2015 ein Heim in Trägerschaft des Arbeiter-Samariter-Bunds, zunehmend für bedenklich und taten das auch öffentlich kund.
Lieber auf der Straße als im Heim
In der Liste von Vorwürfen nennt man Unappetitlichkeiten wie Bettwanzenbefall und handfeste Streitigkeiten zwischen einem Bewohner und dem Sicherheitspersonal. Aber auch generelle Probleme stehen im Raum. So ist es im Heim aus hygienischen Gründen nicht erlaubt, Lebensmittel aus der Verpflegungszone in die Wohnbereiche zu bringen.
Für Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) war das Grund genug für eine Inspektion. Mit unauffälligem Ergebnis: „Der Gesamteindruck ist nicht bedenklich.“ In Sachen Hygiene habe das Gesundheitsamt keine groben Mängel festgestellt. Alle Sanitäranlagen würden dreimal am Tag gereinigt. Es habe sich lediglich angedeutet, dass manche der früheren Büroräume die Umgestaltung zur Nasszelle nicht dauerhaft vertragen. Bettwanzen seien generell in Großunterkünften ein bekanntes Übel. „Bei einem Befall erhalten die Bewohner sofort ein Ausweichzimmer“, stellt Engelmann klar. Und im Problemzimmer trete unverzüglich ein Kammerjäger in Aktion.
"Wir haben Verständnis"
Dem Wunsch vieler Bewohner, im Ex-Rathaus eine vollwertige Großküche einzurichten, können aber weder Bezirksamt noch das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten entsprechen. „Dieses Thema ist so lange existent wie die Notunterkunft“, weiß Engelmann. Wegen allzu kostspieliger Umbauten und Bedenken beim Brandschutz werde es bis zum Ende der Belegung keine Küche geben.
Und was sagen die Heimbetreiber? „Wir haben Verständnis für die schwierige Situation der Bewohner, anderthalb Jahre und länger in einer Notunterkunft leben zu müssen. Wir tun weiterhin alles, um die Situation so erträglich wie möglich zu gestalten“, zeigt der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in einem Schreiben Mitgefühl für das Schicksal seiner rund 950 Schützlinge.
Beim Konflikt zwischen einer Securitykraft und einem Mann, den die Verpflegungssituation störte, will der ASB schnell reagieren. „Der Zusammenstoß eines Bewohners mit der Security wird von uns sehr bedauert. Die betroffene Familie erhält von uns jegliche Unterstützung, ihre Situation im Haus so erträglich wie möglich zu gestalten und um möglichst schnell in eine für sie geeignetere Einrichtung verlegt zu werden.“ Sauberkeit hin, Security her – das Heim verlassen möchten wohl alle Bewohner. Einige leben dort schon so lange auf engstem Raum, wie es die Notunterkunft gibt. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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