"Foreign Affairs" löst "Spielzeit Europa" ab
"Foreign Affairs" löst das bisherige Festival "Spielzeit Europa" ab. Für das neue Format hat Thomas Oberender Frie Leysen aus Belgien als Kuratorin gewonnen. Sie ist für ihre Kompromisslosigkeit bekannt. Nach Berlin hat sie Künstler eingeladen, "die nicht nett sind", dafür aber "gefährliche Verbindungen" ein- und den gesellschaftlichen Affären auf den Grund gehen. Eingeladen wurden "22 starke künstlerische Zeugnisse von 19 starken künstlerischen Persönlichkeiten aus der ganzen Welt", sagt die Kuratorin. Für die Zeit des Festivals errichtet der Architekt Kyohei Sakaguchi vor den Berliner Festspielen ein mobiles Haus aus Sperrholz. Darin wird der Pianist Marino Formenti drei Wochen lang leben und Klavier spielen. Das Publikum kann kommen, gehen oder bleiben, wann und so lange es möchte.
Neben der Ökologie sind Einsamkeit, Kolonialismus, Konsumismus, Rassismus und Manipulation Themen des Festivals. So wird am 29. und 30. September wie auch am 2. Oktober jeweils um 20 Uhr auf der Seitenbühne des Festspielhauses die europäische Erstaufführung von "Loves Whirlpool" des Japaners Daisuke Miura zu sehen sein. Es ist ein Datingabend für vier Paare, drei Betten und die Zuschauer als Voyeure. Sie erfahren von der Sehnsucht einer Generation, die alles hat und alles kaufen kann, aber nur noch die Körper befriedigt und nicht mehr die Seele. Es wird eine Generation gezeigt, die ein oberflächliches Leben in einer Spaßkultur führt, "quietschbunt wie im Fernsehen, einsam wie spätabends im Supermarkt".
Um das noch lange nicht bewältigte Erbe des europäischen Kolonialismus ranken sich mehrere Produktionen. So lässt Brett Bailey aus Kapstadt am 29. und 30. September sowie vom 1. bis zum 3. Oktober jeweils zwischen 17 und 20 Uhr in vier Vorstellungen im "Kleinen Wasserspeicher" die sogenannten Völkerschauen des 19. Jahrhunderts wieder aufleben, wie sie auch im Berliner Zoo praktiziert wurden. Massenweise strömten damals schaulustige Besucher in diese Menschenzoos, die Afrikaner in nachgebauten Dörfern ausstellten. Der Autor verknüpft diese Vorführungen mit dem heutigen Rassismus. In einer begehbaren Installation setzt er Darsteller aus Namibia und in Berlin lebende Afrikaner dem Blick des Zuschauers aus.
In "Black Bismarck previsited" greift am 3. Oktober 16.30 Uhr und am 8. Oktober 19 Uhr die "andcompany&Co" einer erst für 2013 geplanten Produktion im "Hebbel am Ufer" vor, wo es um die sogenannte Kongokonferenz der Jahreswende von 1884/85 geht. Otto von Bismarck hatte damals mit 14 Vertretern der Weltmächte über die Aufteilung Afrikas entschieden. Die damals willkürlich gezogenen Grenzen bestehen bis heute und sind Ursache politischer Konflikte.
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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