"Finger weg von unserem Weinfest"
Weinbrunnen sprudelt wieder – allerdings mit strengen Auflagen
Es ist ein sonniger Sonnabendnachmittag. Das Wetter ist perfekt für ein Picknick mit Familie oder Freunden. Dafür muss man nicht einmal die Stadt verlassen. Am Rüdesheimer Platz gibt es oberhalb des Siegfriedbrunnens die Möglichkeit, Wein aus dem Rheingau in gemütlichem Ambiente bei mitgebrachtem Essen zu genießen: Der traditionelle Weinbrunnen ist wieder geöffnet. Allerdings gibt es jede Menge Auflagen.
Die Stimmung am Rüdesheimer Platz rund um den kleinen Weinausschank am oberen Teil ist gut. Familien und Gruppen sitzen an den Tischen bei einem Glas Wein oder Wasser. Viele Tische sind mit verschiedene Leckereien gedeckt. Es wird stilvoll getafelt. Auch bei den vier Freundinnen Barbara und Sabrina Scholz, Cornelia Weiß und Silvia Thiele gibt es Buletten, Weintrauben, Käse, Brot und Oliven. Das Essen haben sie mitgebracht. Die vier Frauen treffen sich seit Jahren hier und genießen die einzigartige Atmosphäre. „So etwas gibt es sonst nicht in der Stadt“, sagt Cornelia Weiß. Der Weinbrunnen sei ein beliebter Treff – nicht nur für die unmittelbaren Anwohner. Sie selbst hat zwar früher im Kiez gelebt, jetzt wohnt sie in Lichterfelde. Auch ihre Freundinnen kommen zum Teil aus Wannsee hierher. Allerdings so räumen alle vier ein, hätte das Fest ein wenig an der besonderen Stimmung eingebüßt. Schuld seien die vielen Auflagen, die neuerdings eingehalten werden müssen – weil ein einziger Anwohner seit Jahren gegen den Ausschank klagt. Es sei zu laut. Zweimal hatte er verloren, seine letzte Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig war zum Teil erfolgreich. Strenge Auflagen sind die Folge, aber nicht immer nachzuvollziehen. Zumal selbst amtliche Lärmgutachten ergeben hätten, dass mitunter das Rauschen des Brunnens lauter wäre, als die Geräusche, die vom Weinausschank ausgehen, sagt Heinrich Basting, einer der drei Winzer, die sich während einer Weinbrunnen-Saison beim Ausschank abwechseln.
Zu den Auflagen gehören in diesem Jahr die Verkürzung der Öffnungszeiten von 15 bis 22 Uhr und die Einführung eines Ruhetags am Sonntag. Die Zahl der Sitzplätze musste von rund 300 auf 250 reduziert werden. „Die Stühle sind genau abgezählt, das Ordnungsamt kontrolliert regelmäßig“, so Basting. Zudem wurde ein Pfandsystem eingeführt und ein Security-Mann engagiert. Dieser kontrolliert und bewacht den einzigen offenen Zugang zum Ausschank. Denn eine Forderung ist auch, dass kein Gast Flaschen oder Gläser mitnehmen und in der Grünanlage im unteren Bereich des Platzes seinen Wein trinken kann. Um diese Auflage umsetzen zu können, mussten drei von vier der öffentlichen Zugänge abgesperrt werden. Das sei nicht schön, aber inzwischen hätten er und seine Winzer-Kollegen sich daran gewöhnt. Auch wenn die Winzer das ganze für ein bisschen übertrieben halten, hätte sich der Ausschank unter Auflagen gut eingespielt. Obwohl es dadurch zu deutlichen Umsatzeinbußen käme – Basting spricht von 20 bis 30 Prozent – seien die Winzer froh, dass der Weinbrunnen überhaupt noch stattfinden könne.
Gäste starten Petition
„Nach der lästigen Organisation von Klowagen, starken Einschränkungen von Öffnungszeiten, Platz-Absperrungen und Bereitstellung von Security-Personal sind wir erstaunt, dass unsere Winzer überhaupt noch die Strapazen auf sich nehmen und kommen“, schreiben die Verfasser der Petition „Finger weg von unserem Weinfest!“, die von Anwohnern und Gästen verfasst wurde. Am 25. Juni waren es 3248 Unterschriften, Ziel sind 5000. Viele Menschen machen nicht nur mit ihrer Unterschrift, sondern auch mit einem Kommentar deutlich, warum sie die Petition unterstützen. Der Tenor ist immer gleich: Das Weinfest sei Bestandteil des Kiezes und ein beliebter Treff für die Nachbarschaft. Es könne nicht sein, dass diese Institution, die vor allem der Nachbarschaftspflege diene, dem Ruhebedürfnis eines Einzelnen zum Opfer fallen solle.
„Es geht hier nicht um ein großflächiges Festival, sondern unser süßes, überschaubares, schon fast dorfhaftes Weinfest….“, wehren sich die Verfasser der Petition gegen die Vorwürfe des Klägers. „Hier geht es friedlich zu. Niemand pöbelt oder randaliert“, sagt auch die Gruppe um Cornelia Weiß. Dass sich nur ein Einziger über das Fest aufrege, spräche für sich.
Wer die Petition unterstützen möchte, kann das auf www.change.org/p/finger-weg-von-unserem-weinfest tun. Geöffnet ist das Fest bis zum 9. September, Montag bis Sonnabend von 15 bis 22 Uhr.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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