Jugend Technik Schule: Werkstatt sucht ausgediente Velos
An einem regnerischen Nachmittag schwingt Hans-Dieter Lamprecht das Tor auf und prüft seinen Bestand. Hier ein Sortiment an Felgen, da ein Sammelsurium von Reifen, dort eine ganze Halde ausgedienter Rahmen. Es riecht nach Gummi und Fett. So duftet der Frühling für Schrauber. Jetzt ist Hochkonjunktur für alle, die Fahrräder lieben.
Lamprecht leitet die Werkstatt der Jugend Technik Schule in Wilmersdorf, verhilft Geringverdienern zum unschlagbar günstigen Drahtesel - und führt Schüler an etwas heran, das heute neben digitalen Interessen meist zu kurz kommt: tüfteln und schrauben.
"Wir leben allein von Kellerfunden und Einzelspenden", betont der Herr über Tausende ausgediente Teile. Ganz wesentlich: der soziale Gedanke. Wer knapp bei Kasse ist, kann ein flott gemachtes Kinderfahrrad schon ab 25 Euro erstehen. Und wenn doch mal ein transplantiertes Teil kaputtgeht? Für den Fall sind kleine Garantieleistungen inbegriffen.
Und wer selbst Hand anlegen möchte an seinem Gefährt, findet in Lamprechts guter Stube professionelles Werkzeug. "Wer weiß, wie teuer das geworden ist, weiß das zu schätzen." Im Namen der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft widmet sich der Chefschrauber mit seinem kleinen Team auch der Jugendarbeit. Ständig sind Schulklassen zu Gast, lernen gegen 2,50 Euro Materialkostenbeitrag pro Kopf, wie man Schläuche flickt und Bremsen justiert.
Und wer hätte das gedacht? Fahrradbasteln ist Mädchensache. "Sie sind oft einen Schritt weiter als die Jungs", erzählt Lamprecht von unverhofften Talenten.
Manche einem genügt es nicht, mit Pedaltritten von A nach B zu kommen. Man muss sich auch nach dem Velo umdrehen wollen. Der Beachcruiser des jungen Gregory, ein heißer Ofen mit chromblitzenden Applikationen, ist ein Aushängeschild des Hauses. "Mal eine andere Klingel, dann ein extra Wimpel - Gregory findet immer etwas Neues, was er verbauen will", freut sich Mitarbeiter Björn Scheffel.
Aber dann gibt es freilich Fälle, bei denen auch kindliche Fantasie nicht mehr wirkt. "Wenn wir echt nichts mehr retten können", sagt Lamprecht, "ist der letzte, der sich freut, der Schrotthändler."
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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