Schülerinnen helfen in der Wärmestube am Bundesplatz
Gleich am ersten Tag, da war es schon so weit. Da musste Yare ihr Bild von den Gästen einer Wärmestube beiseite wischen. Dieser Mann, der vor ihr saß, er war belesen und begabt. Er sprach wie ein Gelehrter. "Dieser Mann erklärte mir plötzlich 20 Grundsätze der Menschenrechte", erinnert sich Yare. "Und dann sagte er, in welchen Punkten sie sich von unseren Gesetzen unterscheiden. Solche Dinge hat er sich selbst beigebracht."
Erfahrungen wie diese sind es, weswegen Yare und zwei andere Schülerinnen an mindestens einem Tag in der Woche unentgeltlich aushelfen, hier in der Wärmestube der Caritas. Yare ist 14 Jahre alt, besucht das Gottfried-Keller-Gymnasium. Und sie weiß schon genau, was ihr liegt: "Ich würde gerne Psychologin werden." Und was sie beim Bewirten der Bedürftigen erfährt, ist das erste Rüstzeug: Sinn für soziale Probleme, Empathie, Menschenkenntnis.
An diesem Tag hat sich Jürgen Clausen unter die Gäste gemischt und schaut, was seine Schützlinge bisher gelernt haben. Clausen ist der Verantwortliche hinter dem Projekt "Fisch", also der "Freiwilligeninitiative Schülerinnen und Schüler lernen durch Engagement". In seinem Leben vor dem Ruhestand war dieser Mann Chemielehrer, musste Mädchen wie Yare danach beurteilen, ob sie Moleküle beschreiben können. Nun gibt er Lektionen in Sachen Menschlichkeit.
"Persönlichkeitsbildung bei jungen Menschen kann nicht nur formale Bildung sein", glaubt Clausen. "Hier lernen sie Verantwortungsbewusstsein und soziale Kompetenz. Und sie erfahren, wie man aus dem sozialen Raster fällt."
Auch Mina lernte bei der Stubenleiterin Irmgard Losch binnen weniger Wochen Inhalte, wie sie in einem Stundenplan am Schiller-Gymnasium nicht vorkommen können. Wenn sie nicht gerade einen Schauspielkurs besucht, trifft man die 14-Jährige bei der Caritas am Tresen. Dort reicht sie einen Teller nach dem anderen in dankbare Hände. Es sind Kerle darunter, die sich untereinander anblaffen würden. Vor Mina bleiben sie lammfromm. Ihre Arbeit sorgt für Respekt, macht abgeklärt und taff.
"Die Mädchen schlagen sich ganz wunderbar", ruft Irmgard Losch, während sie Geschirr aus der Spüle schaufelt. Ohne ehrenamtliche Hilfe wäre sie dem täglichen Ansturm auf die Wärmestube kaum gewachsen. Bis zum Ende der Saison am 31. März gilt es noch durchzuhalten. Dass Yare und Mina bis dahin weiter dampfende Teller verteilen - Ehrensache. "Wenn ich heim gehe", sagt Yare, "dann habe ich ein gutes Gefühl. Mein Gefühl sagt mir: Ich habe etwas Wichtiges getan."
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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