"Upcycling"-Workshop beflügelt kindliche Fantasie
Resteverwertung - das wäre ein zu nüchternes Wort. Eher schon ist es eine Art Zauberei mit dem Übriggebliebenen, was Carol Santos in einem neumodischen Begriff zusammenfasst: "Upcycling". Wie das funktioniert, lässt sich am ehesten beim Zuschauen und Mitmachen begreifen. Der Weg von einem Haufen Verpackungsresten hin zum feschen Schmuck fürs Kinderzimmer ist kurz und vergnüglich.
An einem Spätsommernachmittag auf dem Abenteuerspielplatz in der Holsteinischen Straße sitzt Carol also mit einem Dutzend Knirpsen beisammen und gibt das Baumaterial ihren Ideen preis.
Ein Eierkarton als Chassis, Flaschendeckel als Räder und Holzstäbchen als Achsen. Was soll das werden? "Na ein Feuerwehrauto!", sagt der achtjährige Lennard. In seiner Stimme schwingt der Stolz eines geborenen Ingenieurs. Neben ihm basteln Spielgefährten an peppigen Täschchen, fertigen aus Toilettenrollen winzige Geschenkboxen. Sogar Roboterfiguren lassen sich aus Müll konstruieren. Nebenan im Regal steht der Beweis.
Aber warum nachbauen, was anderen schon gelungen ist? Die neunjährige Clara entwickelt kurzerhand ihr eigenes Verfahren, stopft Watte in Stoffreste, baut ein Skelett aus Holzstäben, entwirft eine Puppe, Marke Eigenbau. Diesen Einfall hat selbst Carol noch nicht gehabt. Grundsätzlich lohnt es sich, wenn man der kindlichen Fantasie freien Lauf lässt, meint studierten Designerin.
"Sie hat diese Idee aus ihrer Heimat Belém mitgebracht", erzählt ihr Ehemann Daniel Gäsche, der einspringt, wenn Carol noch die deutschen Worte fehlen. "In Brasilien ist das Thema Recycling nicht so weit gediehen wie bei uns", erzählt er. Dafür bringt Carol nun die "Upcycling"-Bewegung nach Berlin.
Märkte, Workshops in Jugendeinrichtungen, sogar ein kleines Seminar mit Gehörlosen hat es schon gegeben. Und nun sorgt die Designerin also in Wilmersdorf dafür, dass der Mülleimer wenig zu schlucken bekommt.
Dass sich der hiesige Abenteuerspielplatz, betrieben vom Nachbarschaftszentrum in der ufa-Fabrik, auf der Brache zwischen Gründerzeithäusern behauptet, ist dem Engagement der Anwohner zu verdanken. Als hier Luxusimmobilien entstehen sollten, regte sich so lange Unmut in der Bürgerschaft, bis das Paradies für Kinder im Kiez gesichert war. Das Erhalten von Hütten und Spielgeräten ist nun nicht mehr das Anliegen von Leiter Rüdiger Corff. Jetzt wird der ganze Bestand schrittweise erneuert. "Es verändert sich viel derzeit", berichtet er. "Schlag auf Schlag richten wir den Platz neu her." Aber er bleibt, was er immer war: ein Hort der Fantasie.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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