Verein BSTW: 30 Jahre Hilfe für Obdachlose und Suchtkranke
Wilmersdorf. Obdachlose und suchtmittelabhängige Menschen: Im Verein „Berliner Sozialtherapeutische Wohnheime“ (BSTW), finden sie eine verlässliche Anlaufstelle – und das bereits seit 30 Jahren.
Der Verein bietet in der Schlesischen Straße Obdach, in der Kolberger Straße betreutes Einzelwohnen und als „Highlight“ – wie der Vereinsvorsitzende Ernst Kurz es nennt – das Galerie Café am Bundesplatz, ein alkoholfreier Gastrobetrieb. Insgesamt kümmern sich 15 Festangestellte an den drei Standorten um derzeit rund 150 Wohnungslose. Neben der Wohnraumvermittlung stehen sozialpädagogische Hilfen bei Lebenskrisen, Suchtproblemen, Strafverfahren, Überschuldung und Behördenkontakten im Mittelpunkt. Ziel ist ein selbstbestimmtes, suchtfreies Leben. Zur Perspektivbildung bietet der Verein eben das Café, eine Fahrradwerkstatt, ein Hausmeister- und ein Möbelprojekt an, um den Bewohnern den Weg zurück in ein besseres Leben zu erleichtern.
"Rente ist für mich keine Option"
Im Hinterzimmer des Galerie Cafés hat Ernst Kurz sein Büro. Ohne das ehrenamtliche Engagement des 81-Jährigen wäre das Projekt nie entstanden. Selbst mehr als 20 Jahre suchtkrank, nun 38 Jahre trocken, weiß der gelernte Krankenpfleger und Aktivist der Suchtselbsthilfe um die Abgründe des Lebens und die Klientel. Nach Entgiftung und Therapie wurde sein eigener neuer Weg zum Leitbild für die, die sich am Abgrund befinden. "Ich spreche mit den Betroffenen immer über den Weg zur Flasche, mit der Flasche und den Weg danach." Einst verlieh ihm der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sogar das Bundesverdienstkreuz. Kurz sagt, seine Antriebsfeder sei seine eigene Vergangenheit, vor allem aber die Macht- und Hilflosigkeit der Menschen, die zu ihm kämen. „Rente ist für mich keine Option, ich fühle mich fit wie ein Turnschuh und so lange das so bleibt, mache ich weiter.“
Der Verein beobachtet mit Argusaugen, was auf der Schattenseite der Berliner Gesellschaft passiert. Mietenexplosion, Verdrängung und wachsende Armut beträfen breite Bevölkerungsschichten. Die Zielgruppe, die Wohnungslosen, seien die Verlierer, an denen der Berlin-Boom vorbeiziehe. Die Zuwanderung verknappe den bezahlbaren Wohnraum, der Wohnungsmarkt verenge sich auf Besserverdienende: Für Wohnungslose sei er verschlossen. Die Wohnheime seien überfüllt, Plätze würden nur bei Sterbefällen frei, so lautet die BSTW-Analyse. „Die Zahlen aus der Presse stimmen einfach nicht“, sagt Kurz. „Es gibt weit mehr Obdachlose. Die Senatsverwaltung geht von 5000 bis 8000 aus, ich sage, es sind 10 000 bis 15 000.“
Alarmierend, genauso wie seine Beobachtung zum Wandel der Klientel in seinen Jahren „an der Basis“. „Der reine Alkoholiker ist so rar geworden wie der Eisbär. Synthetische Drogen, allen voran Crystal Meth, sind auf dem Vormarsch“, sagt Kurz. „Polytoxikomanie ist das Stichwort, die Abhängigkeit von mehreren Drogen. Sehr gefährlich.“
"Die Ärzte retten die Leber, wir die Seele"
„Wer Hilfe will, für den haben wir immer einen Platz“, sagt Kurz. Dank für seinen selbstlosen Einsatz erhält er – ausgenommen das Bundesverdienstkreuz – eher spärlich und selten, aber das erwartet er auch nicht. Erfolgserlebnisse sind seine Motivation. Kürzlich wurde das Vereinsjubiläum im Galerie Café gefeiert. „Da waren einige dabei, die uns vor 20 Jahren aufgesucht haben und immer noch trocken sind. Das zeigt, dass die Kombination aus medizinischer Betreuung und Selbsthilfegruppen funktionieren kann. Die Ärzte retten die Leber, wir die Seele.“ maz
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.