Anwohner der Sigmaringer Straße kämpfen gegen Raser
Den Gang einlegen, Kupplung kommen lassen, losrollen. Wie man Schrittgeschwindigkeit hält, das ist Fahrschulwissen. Aber es gilt auch als eine der Lektionen, die im Alltag am schnellsten in Vergessenheit geraten. Und im Leon-Jessel-Kiez scheint sie so gut wie niemand mehr zu beherrschen, die Kunst des Schleichens. "Manche brettern hier mit 70 km/h durch", empört sich die Lehrerin Renate Mundt über Raserei auf der Sigmaringer Straße. "Skandalös!"
Dergleichen kann Verkehrsstadtrat Marc Schulte (SPD) den Messprotokollen nicht entnehmen, denen zufolge die meisten mit 20 bis 30 km/h durch die Straße rauschen und die Spitzenreiter mit 40 bis 50 km/h. "Aber das ist natürlich immer noch zu viel", stellt Schulte fest. Im Gespräch mit den Verantwortlichen der örtlichen Stadtteilinitiative kam in Sachen Verkehrsberuhigung nichts wesentlich Neues auf den Tisch.
Einigkeit herrscht darin, dass es sich beim Leon-Jessel-Platz um ein "kleines Juwel" handelt, beliebt vor allem bei Familien. Eben diese bangen um ihre Kinder - und sind zugleich Teil des Problems, wenn sie morgens mit dem Nachwuchs motorisiert zur Schule eilen.
Ein Vorwärtskommen ohne Schikane erlaubt ihnen das Gesetz, wonach die "Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs" zu gewähren ist. Würde sie durch neue Kunststoffbuckel gefährdet? Und was sagt die Feuerwehr, die Schwerverletzte ja möglichst erschütterungsfrei ins Krankenhaus befördern muss?
Schulte will sich bei den Rettern erkundigen, ob sie Einwände gegen die Schwellen hätten - und ansonsten so planen, dass Maßnahmen zur Tempodrosselung auch Bestand haben, wenn jemand dagegen klagt. Am Klausenerplatz in Charlottenburg hätten die Buckel bisher alle Erwartungen erfüllt und laut Polizei eine merkliche Verlangsamung erbracht.
Überlegenswert wären sie aus Schultes Sicht deshalb auch für die Sigmaringer Straße. "Es ist wichtig, dass solche Maßnahmen von vielen getragen werden - auch von den Schulen", betont er jedoch. Also will die Stadtteilinitiative alle BVV-Fraktionen anschreiben. Und die wiederum werden Anträge formulieren, um dem Stadtrat eine Handhabe zu geben.
Schneller durchzuführen sind aufklärerische Vorhaben aus dem Kiez heraus. Renate Mundt, die an der Comenius Schule lehrt, erwägt zum Beispiel eine Plakataktion, bei der die kleinen Maler ihre Bitte zum Langsamfahren farbenfroh kundtun. Stadtrat Schulte begrüßt solche Ideen und wird das Ordnungsamt bitten, die Ausstellung zu tolerieren. "Denn viele wissen einfach nicht, dass hier Schritttempo gilt."
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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