Und wo bleibt der Schallschutz? Deutsche Bahn schickt Güterzüge auf den Südring
Wilmersdorf. Einrauschende S-Bahnen, das Dauerhallen der Autobahn – und ab Herbst 2016 auch noch Güterzüge: Am Bundesplatz fordern Bürger einen wirksamen Schallschutz. Denn schon jetzt ertrinkt das Viertel im Krach. Teil 3 der Serie „Unser Kiez“.
Wie laut darf sich die Stadt gebärden? Welche Lärmquellen muss man dulden? Gegen welche können sich Anwohner wehren? Fragt man am Bundesplatz nach der ständigen Beschallung, ist die Spanne der Reaktionen recht eng. Sie reicht vom resignierten Lächeln bis zum gleichgültigen Schulterzucken. Wer am Kreuzungsbereich von Einfallstraßen, S- und U-Bahnen im Schatten einer aufgeständerten Autobahn lebt, entwickelt entweder eine stoische Haltung oder er zieht fort. Im Südwesten Berlins ist so ziemlich jeder andere Ort stiller als der Bundesplatz. Hier misst man tagsüber etwa 81 Dezibel.
Lärm erdulden
Mit innerer Ruhe Lärm erdulden – dieses Kunststück wird ab dem vierten Quartal 2016 noch eine Stufe schwieriger. Dann will die Deutsche Bahn wieder Güterzüge über den Berliner Südring ziehen lassen. Zwischen Halensee und Tempelhof beschreibt die Trasse genau an dem Punkt eine Biegung, wo Messgeräte jetzt schon die höchste Belastung verzeichnen: am Bundesplatz.
Was auf die Anwohner zukommt, hat die SPD-Abgeordnete Franziska Becker kürzlich erfragt. Zehn bis zwölf Züge am Tag, so heißt es, werden in einem Jahr den Anfang machen. Zum Einsatz kommen zunächst Diesellokomotiven mit einer Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometer pro Stunde. Und erst, wenn ab 2018 eine Elektrifizierung der Strecke und die Tempoerhöhung auf 80 km/h folgt, wird die Bahn Schallschutzmaßnahmen ergreifen. So will es das Gesetz.
Die Bürger aber wollen ihr Bedürfnisse nach Ruhe früher beachtet sehen. „Es gibt hier ein permanentes Grundrauschen. Und wenn sich dann noch der Lärm von Güterzügen dazu mischt – und vielleicht sogar nachts –, wird es langsam unerträglich“, beschwerte sich ein Anrainer der Trasse bei der jüngsten Debatte. „Es muss doch eine Möglichkeit geben, dass die Menschen nachts ruhig schlafen können.“
Und so fordert auch die Initiative Bundesplatz als laute Fürsprecherin einer Verkehrsberuhigung rechtzeitige Gegenmaßnahmen. „Lärm verändert den Kiez“, beobachtet der Vorsitzende Wolfgang Severin. „Viele Geschäfte haben in den vergangenen Jahren geschlossen.“
In der Tat will auch die Bahn reagieren. Und plant ab 2018 Vorkehrungen für einen Schallschutz, der zugleich die Autobahn abschirmt. Wenn der Schutz schon spät kommt, dann also doppelt. Dergleichen hat es laut des Bahn-Bevollmächtigten Alexander Kaczmarek in Deutschland noch nicht gegeben. Als weitere Maßnahme geplant ist der Einsatz von so genannten Flüsterbremsen an den Güterwaggons, was den Lärm gegenüber der alten Bremstechnik nahezu halbiert.
„Es ist dennoch schade, dass man die Züge über den Südring schickt anstatt den Außenring zu nutzen“, äußert sich die Abgeordnete Franziska Becker. Offenbar seien die Transportkosten auf diesem Wege geringer. Becker will das Anrollen der Güterzüge genau beobachten lassen und den lärmgeplagten Bürgern mit ihren Forderungen beistehen. „Wenn man sieht, dass es zu laut wird, muss man schnell handeln.“
Für Wolfgang Severin und die Initiative sind die Zugeständnisse der Bahn ein erfreuliches Zeichen, wobei die Verantwortlichen von Seiten der Bürger weiter Druck verspüren sollen. „Es wird ein schwerer Weg, den wir gehen müssen“, sagt Severin. „Wir brauchen Lobbyarbeit für Lärmschutz an diesem geschundenen Platz.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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