Schauspielstars gehen hier ein und aus
Besuch im größten Kostümfundus Deutschlands
„Theaterkunst“ steht auf dem riesigen Schild an dem roten Backsteingebäude in der Eisenzahnstraße. Dass in der ehemaligen Meierei wahre Schätze schlummern, würde man nicht erwarten. Doch vor allem für Filmproduktionen und Kostümbildner erschließt sich hier ein wahres Eldorado, denn hier hat der größte Kostümfundus Deutschlands seinen Sitz.
Zehn Millionen Teile umfasst der Fundus von "Theaterkunst". Kostüme, Accessoires und Schuhe aus allen Epochen von der Antike über die Goldenen Zwanziger und verrückten 80er- bis hin zu den 2000er-Jahren befinden sich in wandhohen Regalen oder hängen fein säuberlich und gut sortiert zum Teil in drei Etagen übereinander in den großen Hallen. „Grob gemessen sind das sechs Kilometer hängende Ware. Das entspricht der Strecke einmal rund um den Schlachtensee“, sagt Manja Raßmus. Sie ist seit einem Jahr für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Ausstattung seit den 20er-Jahren
Kein Wunder, dass angesichts dieses riesigen Angebots an Kostümen bei "Theaterkunst" internationale Filmproduktionen und Filmstars ein und aus gehen. Viele Kostüme, die von berühmten Schauspielern in bekannten Filmen getragen wurden, stammen aus dem "Theaterkunst"-Fundus. Das war schon in den 20er-Jahren so, als die ersten großen Kinofilme produziert wurden. Das 1907 in der Oranienburger Straße eröffnete Kostümhaus für Theater, Oper und Revue stattete zunächst die großen Berliner Bühnen aus und versorgte später große internationale und nationale Filmproduktionen mit Kostümen. Zu den ersten Filmen, die "Theaterkunst" ausstattete, gehörten Fritz Langs „Metropolis“ mit Stars wie Heinrich George (1926). Auch Marlene Dietrich wurde für „Der blaue Engel“ (1929) bei "Theaterkunst" eingekleidet. Für die Anfertigung von Rüstungen und Gewändern für das Monumentalwerk „Ben Hur“ (1925) reisten die Hauptdarsteller extra per Schiff aus Amerika an.
Sortiert nach Epochen, Größe und Farbe
Am heutigen Standort in Wilmersdorf sitzt das Unternehmen seit den 50er-Jahren. Der Bestand wurde sukzessive erweitert und auch eine Fachbibliothek aufgebaut. Hier finden Kostümbildner jede Menge Recherchematerial zu Mode, Kostümbild und Theater. Die Kostümbildner sind es auch, die in den großen Hallen des ehemaligen Fabrikgebäudes die Ausstattung für die Filmproduktionen zusammenstellen. Sie gehören zu den Stammkunden und kommen zum Teil seit vielen Jahren in die Eisenzahnstraße. „Die Kostümbildner wissen genau, wo sie was finden“, sagt Manja Raßmus. Die Suche wird ihnen erleichtert, denn der gesamte Bestand ist perfekt sortiert: Die Teile sind einerseits nach Epochen und Jahren sortiert, nach Kleidungsstücken und Accessoires und dann noch einmal nach Größe und Farbe. Wenn sie doch einmal Hilfe brauchen, stehen die Fundusmitarbeiter mit Rat und Tat zur Seite. „Unsere Mitarbeiter im Fundus sind selbst ausgebildete Kostümbildner“, erklärt Raßmus.
Von Edgar Wallace bis "Inglorious Basterds"
In den 60er-Jahren werden preisgekrönte Filme wie Billy Wilders „Eins, Zwei, Drei“ sowie die Karl-May- und Edgar-Wallace-Verfilmungen mit Kostümen der "Theaterkunst" ausgestattet. In den folgenden Jahrzehnten gestaltete das Unternehmen mit Fernsehfilmen wie „Raumpatrouille Orion“ die Film- und Theatergeschichte mit. Ab den 2000er-Jahren wurde das Berliner Stammhaus weiter ausgebaut und zum Ausgangspunkt für große nationale und internationale Filmproduktionen. Unter anderem wurden „Inglorious Basterds“, „Shutter Island“ oder „Das weiße Band“ ausgestattet. Für TV-Produktionen wie die Ku’damm-Reihe, „Eldorado KaDeWe“ oder „Babylon Berlin“ sorgte "Theaterkunst" ebenfalls für die passende Garderobe.
„Gerade was Kostüme aus der Zeit zwischen 1900 und 1940 betrifft, kommt keiner an uns vorbei“, sagt Andrea Peters, die seit einem Jahr die Geschäfte der "Theaterkunst" führt. Das bedeutet auch für die 27 Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. Das Team aus Gewandmeistern, Schneidern und Kostümbildnern sorgen dafür, dass Kleidung und Accessoires immer im Top-Zustand sind. Wenn die ausgeliehenen Teile zurückkommen, müssen sie gereinigt werden. Mitunter sind auch Reparaturen und Ausbesserungen nötig. Nicht selten kommen auch die Stars selbst in den Fundus zur Anprobe. „Die Creme de la Creme der deutschen Schauspieler geht bei ein und aus“, verrät Peters. Darunter seien beispielsweise Uwe Ochsenknecht, Katja Riemann, Heino Ferch, Lars Eidinger und Katharina Thalbach. Aber auch Rockbands wie „Rammstein“, „The Boss Hoss“ oder der Rapper Alligatoah kommen hin und wieder vorbei, um originelle Outfits für ihre Musikvideos zu finden. Denn inzwischen werden auch Videoproduktionen und Werbeclips von "Theaterkunst" ausgestattet.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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