Ein Wahrzeichen verschwindet
Heizkraftwerk Wilmersdorf wird zurückgebaut
Seit Jahren dienen die drei Türme des Heizkraftwerks Wilmersdorf nicht nur Autofahrern auf der A100 der Orientierung, wenn sie den Autobahnabzweig in Richtung Steglitz nehmen wollen. Für viele Berliner ist das weithin sichtbare Bauwerk zu so etwas wie einem Wahrzeichen geworden. Jetzt soll es aus dem Stadtbild verschwinden.
Vattenfall als Betreiber nimmt das Heizkraftwerk (HKW) vom Netz und startet im Juni mit dem Rückbau der drei Schornsteine. Bis Ende 2022 soll das „Monument Berliner Energiegeschichte“ mit seiner Silhouette aus den drei orangefarbenen Kesselhäusern mit ihren silberfarbenen Schornsteinen komplett zurückgebaut und somit verschwunden sein. Somit macht der geschichtsträchtige Koloss Platz für nachfolgende Energieerzeugungs-Generationen.
Seit 1911 Standort unter Strom
Die Geschichte des Heizkraftwerks an der Forckenbeckstraße beginnt im Jahr 1911 mit der Entwicklung des Kraftwerksstandorts. Gebaut wurde das Kraftwerk von der „Elektricitätswerk Südwest AG“. 1938 übernahm es die Bewag. Durch die Demontage der damaligen Hochdruckanlage im Jahr 1945 sank die Kraftwerksleistung auf 25 Megawatt. Dennoch spielte Wilmersdorf in den Nachkriegsjahren eine bedeutende Rolle bei der Sicherung der Stromversorgung Westberlins. Nach über 50-jährigem Einsatz ging das ursprüngliche Kraftwerk 1964 vom Netz. Zehn Jahre später wurde mit dem Bau der heutigen Anlage begonnen. Die thermische Leistung des HKW Wilmersdorf stieg rasch auf mehr als 300 Megawatt an. Damit konnten 50 000 Haushalte zuverlässig mit Fernwärme versorgt werden.
Zahlen, Zahlen, Zahlen
In seinen nunmehr 45 Betriebsjahren wurden die drei Gasturbinen der Anlage bis Stand vom 23. März, 0 Uhr, insgesamt 11 830-mal gestartet. In insgesamt 97 723 Betriebsstunden wurde Strom und Wärme für die Berliner ausgekoppelt und dabei weit mehr als sechs Millionen Megawattstunden Strom geliefert.
In den vergangenen Jahren hätte das HKW Wilmersdorf bei der Strom- und Wärmeversorgung der Hauptstadt eher eine Nebenrolle gespielt, erklärt Olaf Weidner. „Die Anlage wurde nur noch temporär in Spitzenlastzeiten betrieben oder wenn andere Kraftwerke etwa wegen Revisionen nicht am Netz waren“, sagt der Vattenfall-Sprecher weiter.
Bis zu ihrer Stilllegung am 1. April waren noch zwei der drei vorhandenen Gasturbinen des Wilmersdorfer Kraftwerks in Betrieb. Jetzt wird mit der Einrichtung der Baustelle begonnen. Ab der zweiten Juni-Hälfte wird ein „Kran-Riese“ aufgestellt, der die jeweils 102 Meter hohen Schornsteine und Kesselhäuser von oben nach unten abträgt.
Auch während des Rückbaus und danach bleibt die Wärmeversorgung gesichert. „Im Jahr 2018 sind am Standort Wilmersdorf drei erdgasbasierte Heißwassererzeuger in Betrieb gegangen. Sie verfügen über eine thermische Leistung von insgesamt rund 120 Megawatt und können bei Bedarf benötigte Wärme schnell zur Verfügung stellen“, sagt Weidner.
Auch wenn das HKW Wilmersdorf verschwindet, lebt der Energiestandort weiter. Denn neben der Erzeugung hätte das Gelände an der Forckenbeckstraße schon immer auch eine wesentliche Rolle für die Verteilung von Fernwärme gespielt. „Im Zuge der Berliner Wärmewende wird darüber hinaus an Plänen für die zukünftige Nutzung des Standorts gearbeitet, bei denen auch neue Anlagen für die nachhaltige Erzeugung von Stadtwärme betrachtet wird“, sagt Olaf Weidner. Welche Technologie hier künftig zum Einsatz kommen werde, sei aber noch offen.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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