Konditorei Czerr als vorbildlicher Ausbildungsbetrieb ausgezeichnet
Der Konkurrenz immer getrotzt, mit der Zeit gegangen, das Personal wertgeschätzt. Beim Familienunternehmen Konditorei Czerr gibt es nicht nur Backwaren – er ist auch ein Vorzeigebetrieb.
Das letzte Mal, dass Toni Czerr beruflich etwas falsch gemacht hat, ist sehr lange her. Das war am ersten Tag seiner Ausbildung in der Konditorei Senst in der Charlottenburger Schloßstraße. Der junge Toni sollte den Pflaumenkuchen aus der Produktion holen. Mehlstaub vernebelten ihm die Sicht und dann war es auch schon passiert: "Ich stand mit Schuhgröße 48 mitten im Kuchen. Hatte mich noch gewundert, warum ich hin- und herrutsche", erinnert er sich und lacht. Damals war ihm und seinem Chef nicht zum Lachen zumute, aber auf dem Absatz kehrtmachen und sich eine andere Lehrstelle suchen, kam nicht in Frage. Der Name Czerr verpflichtete schließlich. Zum Glück war der buchstäbliche Ausrutscher auf dem Pflaumenkuchen der letzte. Muss so gewesen sein, denn Toni Czerr ist heute mit 47 Jahren Konditormeister, Bäcker und Betriebswirt und leitet mit seiner Frau, Personalchefin und Filial-Managerin Katja, seit zehn Jahren erfolgreich acht Filialen der Konditorei Czerr in Wilmersdorf und Schöneberg.
In dritter Generation
Opa Kurt hatte nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft in den USA eine Bäckerei eröffnet und damit den Grundstein für das heutige Traditionsunternehmen gelegt. "1947 oder 48? Wir sind da nicht ganz klar", sagt Toni Czerr. Sein Vater Hans-Jürgen übernahm dann das Geschäft von Kurt und zog sich vor elf Jahren zurück. Acht Jahre hatte Toni da bereits im elterlichen Betrieb gearbeitet, nun schlug seine Stunde. "Wir haben den Betrieb meinen Eltern abgekauft."
Alles handgemacht
In der Berliner Straße 19 schlägt das Herz des kleinen Back-Reiches, das unter der Ägide seiner Vaters heranwuchs und sich unter der Leitung von Toni und Katja Czerr um eine weitere Filiale in der Laubacher Straße ausdehnte. Hier werkeln täglich 14 der insgesamt 70 Mitarbeiter. "Wir fahren die Filialen fünfmal am Tag an", sagt Toni Czerr. Die Standorte seien bewusst in der Nähe gewählt worden. "In einer Stunde sind wir mit der Tour durch." Der Vorteil dieses Konzeptes liegt zweifelsfrei in der Flexibilität, recht schnell können die Produktion an die Nachfrage angepasst und die Personalplanung geändert werden. Zur Hälfte stammen die Produkte aus der Bäckerei, zur anderen aus der Konditorei. Die 300 Quadratmeter große Produktionsstätte schließt sich direkt an den Verkaufsraum an. "Früher wohnten da meine Eltern, Stück für Stück haben wir dann einen Raum nach dem anderen umfunktioniert und sind so ins Gebäude hineingewachsen", sagt Czerr.
Wer dunkle Brötchen, Landkrustenbrot oder Mohntorte bei Czerr holt, kann sich gewiss sein: Die Rohstoffe sind hochwertig und naturbelassen, Fertigprodukte oder fertige Backmischungen werden nicht verwendet, alles wird selbst gebacken. Als er übernahm, habe er erst einmal die alten Rezepte weggeworfen und seine eigenen Wege beschritten, sagt Toni Czerr. Den "Dinkelweg" zum Beispiel: "Tolles Getreide mit großartigem Geschmack. Das 'Muffige', was Dinkel ja ein wenig eigen ist, haben wir mit einem speziellen Verfahren herausbekommen." Naturbäckerei sein, die Rohstoffe ihren ureigenen Geschmack entwickeln lassen ohne gleich das Bio-Siegel tragen zu müssen, das ist die Marschrichtung der Czerrs. "Grün" werden sie dennoch, die energetische Sanierung der Backstube ist in vollem Gange.
"Irgendetwas machen wir richtig, auch wenn wir nicht zu 100 Prozent wissen, was es ist", so erklärt sich Czerr, warum der Familienbetrieb stets allem Wandel und der großen Konkurrenz trotzte. Gerade nach der Wende habe es ein gewaltiges Bäckereisterben in Berlin gegeben. "Ich denke, die Kunden honorieren, wie wir den Familienbetrieb leben. Und sie wissen, dass wir selber backen."
Gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern
Der Begriff Naturbäckerei beinhaltet für Toni Czerr auch den natürlichen Umgang mit dem Personal. Viele der Kollegen, die heute noch in der Produktion Teig walken, haben im Betrieb ihre Ausbildung absolviert. Soziale Verantwortung für die Mitarbeiter und ein persönliches Verhältnis sind dem Unternehmer-Ehepaar wichtig. Deshalb haben sie auch beschlossen, eher eine Filiale zu schließen, als eine weitere zu eröffnen, selbst wenn es der Erfolg zuließe. "Ich möchte alle Mitarbeiter beim Namen kennen und am besten noch ihr Geburtsdatum wissen. Das ist jetzt schon nicht einfach", sagt der Konditormeister. Auch im Umgang mit den Auszubildenden haben Katja und Toni Czerr ein gutes Händchen. "Es bewerben sich nicht unbedingt die mit den besten Zeugnissen bei uns und es gibt genügend Probleme in der Berufsschule. Aber hier bei uns funktionieren sie wie am Schnürchen." Die Czerrs haben stets ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Lehrlinge, stehen ihnen beratend zur Seite. "Und wir sind selten schlecht gelaunt und wenn, dann nicht für lange", sagt Czerr und lacht. Was er von seinem Engagement hat? "Loyalität", sagt er.
Bei der Arbeit Spaß haben
Weil nicht nur die fachliche Ausbildung, sondern auch die Persönlichkeitsbildung gut klappt, erhielt die Konditorei am 2. März von der Bundesagentur für Arbeit ein Zertifikat als vorbildlicher Berliner Ausbildungsbetrieb. "Bombe, wir freuen uns riesig. Auch wenn das zu unserem Selbstverständnis gehört", kommentiert Czerr die Auszeichnung. Besser werden lautet eines seiner Ziele für die berufliche Zukunft. Eine Baustelle sei sicher das Marketing. "Was wir machen ist gut, wir bekommen das aber noch nicht richtig an die Verkaufstheke transportiert." Nach und nach die Filialen weiter modernisieren, wie kürzlich die in der Paretzer Straße, ein anderes. "Und bei der Arbeit weiterhin Spaß haben", sagt er. Ob eines der drei Kinder eines Tages den Betrieb weiterführt, ist für das Ehepaar nicht das Wichtigste. Hört sich nach einem richtigen Weg an. Läge nahe, denn dass Toni Czerr beruflich etwas falsch gemacht hat, ist sehr lange her.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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