Lehrer in Ost und West
rbb-Dokumentarfilm zu Schule nach dem Mauerfall
Die 45-minütige Doku „Umgewendet“ beleuchtet die Umbruchzeit für Lehrer und Schüler an ostdeutschen Schulen zwischen Ende 1989 und 1991. Auch zwei Berliner Lehrer sind dem Zeitzeugenaufruf in der Berliner Woche gefolgt und erzählen in dem Film ihre Geschichte.
Pionierhalstuch, FDJ-Hemd, Staatsbürgerkunde – in den Schulen der DDR ging es nicht nur um Bildung, sondern vor allem auch um sozialistische Erziehung. Mit der Wende zerfiel quasi über Nacht für 2,4 Millionen Schüler und 180 000 Lehrer das alte Wertesystem. „Die Schule wird umgewendet, mitten im laufenden Lehrbetrieb“, heißt es in der Doku von Katharina Herrmann. Die Filmemacherin hat sich auf Spurensuche begeben und Lehrer und Schüler vor die Kamera geholt, die über ihre persönlichen Schulerlebnisse berichten und den damaligen Transformationsprozess reflektieren.
Zeitzeugenaufruf in der Berliner Woche
Auf den Zeitzeugenaufruf in der Berliner Woche haben sich zwar über 30 Lehrer beim Filmteam gemeldet, aber vor die Kamera wollte kaum einer. „Viele möchten sich mit der damaligen Zeit nicht öffentlich auseinandersetzen“, sagt Katharina Herrmann. Ursprünglich wollte die Regisseurin die Protagonisten eines TV-Beitrags aus der Wendezeit erneut aufsuchen. „Doch niemand wollte mit uns sprechen“, sagt Herrmann. Erst der Aufruf in der Berliner Woche war schließlich erfolgreich.
Nach der Wende wurden die Schulleiter entlassen
Keine Angst hatte Doris Mnich, die in der Doku auch mit einem gewissen Stolz über ihre Lehrerjob in Ost und West erzählt. Mit 18 schon SED-Mitglied, wird sie 1970 Lehrerin für Deutsch und Englisch. Von 1986 bis zu ihrer Entlassung 1990 war Mnich Direktorin an der 28. Polytechnischen Oberschule „Ernst-Heckel“ in Lichtenberg direkt am Tierpark in der Elfriede-Tygör-Straße. Im Film steht sie etwas wehmütig vor den Häusern, die heute Eigentumswohnungen sind. Nach der Wende wurden alle DDR-Schulleiter entlassen; auch Doris Mnich musste den Direktorensessel räumen und unterrichtete bis zu ihrer Pensionierung 2019 als Lehrerin Deutsch und Englisch an einem Gymnasium. „Ich habe Spaß gehabt in der DDR als Lehrer und Direktorin und auch in Westzeiten, sonst hätte ich nicht länger gearbeitet als ich musste“, so ihr Fazit. Jungen Leuten etwas beizubringen war ihr Job und ihre Berufung.
„Es lohnt sich, für eine gute Sache
zu leben und zu arbeiten"
Der zweite Lehrer aus Berlin, den Katharina Herrmann interviewen konnte, ist Dr. Tilo Rosenkranz. Er war zu DDR-Zeiten ebenfalls SED-Mitglied und überzeugter Sozialist, wie er sagt. Rosenkranz hat am Institut für Lehrerbildung (IfL) „Clara Zetkin“ in neu-Hohenschönhausen Unterstufenlehrer (heute Grundschullehrer) und Pionierleiter ausgebildet. Als die Mauer fiel, schrieb er gerade an seiner Promotion über Kollektiverziehung. „Es lohnt sich, für eine gute Sache zu leben und zu arbeiten – nur nicht mit den Menschen und dem System, das wir damals hatten“, sagt er im Rückblick auf seine langjährige Pädagogenlaufbahn. Tilo Rosenkranz verlor mit der Wende seinen Job und bewarb sich 1990 auf die freigewordene Direktorenstelle der Bouché-Grundschule in Alt-Treptow. Mit seinem neuen Konzept überzeugt er die Schulkonferenz und wurde trotz früherer SED-Mitgliedschaft demokratisch zum Schulleiter der Bouché-Schule gewählt und führte sie in die neue Zeit. Bis zu seiner Pensionierung 2014 arbeitet er dort.
Die Doku „Umgewendet“ über die gesellschaftlichen Umwälzungen aus dem Blickwinkel Mikrokosmos Schule gibt es in der ARD-Mediathek. Infos auch unter: https://www.herrmannfilm.de/projekte/umgewendet/.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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