"Ich mache jetzt nicht alles anders"
Bürgermeisterin Remlinger hat dicke Bretter zu bohren
Friedrichstraße, Sanierungsstau, Energiekrise und eine mögliche Neuwahl: Mittes neue Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) muss es mit vielen alten und neuen Problemen aufnehmen. Gleiches gilt für Maja Lasić (SPD), ihre Nachfolgerin im Schulamt.
Viel Eingewöhnungszeit hatte Stefanie Remlinger nicht. Gut zwei Wochen ist sie im Amt. Von ihrem Vorgänger hat die neue Rathauschefin ungelöste Probleme geerbt, dazu muss sie neue stemmen. „Ich bin sehr, sehr plötzlich Bürgermeisterin geworden“, sagte Remlinger kurz nach ihrer Wahl. Vorher war sie Mittes Bildungsstadträtin und wäre es offenbar gern geblieben. „Loszulassen fiel mir tatsächlich schwer.“ Doch in der Politik kommt es oft anders als man denkt. Und so muss sie sich in ihre neue Rolle als Bürgermeisterin, die „für alles verantwortlich ist“, jetzt einfinden. Was sie mit Tatendrang auch tue, so Remlinger. Einen Masterplan für die nächsten vier Jahre habe sie noch nicht. Aber einige Punkte, die könne sie schon benennen.
„Die Friedrichstraße war noch nie attraktiv für Autos, und die Geschäfte liefen noch nie gut.“
Das ist zum Beispiel die Friedrichstraße, eines der umstrittensten Themen in Mitte überhaupt. Hier positionierte sich Stefanie Remlinger gegen eine Rückkehr der Autos und für eine Fußgängerzone. „Die Friedrichstraße war noch nie attraktiv für Autos, und die Geschäfte liefen noch nie gut.“ Bis die Einkaufsstraße zur Fußgängerzone umgebaut ist, werde es aber noch ein paar Jahre dauern. Für die Friedrichstraße läuft gerade das sogenannte Teileinziehungsverfahren, das die dauerhafte Sperrung für den Verkehr vorsieht. Den Verwaltungsakt hatte das Land Berlin beim Bezirksamt beantragt. Wann hier eine Entscheidung falle, konnte Stefanie Remlinger noch nicht sagen. Bis es so weit ist, dürfen auf der Friedrichstraße aber erst mal wieder Autos fahren. Das hatte das Berliner Verwaltungsgericht entschieden. Die Verkehrsschilder und Vitrinen muss das Bezirksamt abräumen.
Energiesparplan für den Bezirk
Priorität hat für die Bürgermeisterin ein Energiesparplan, der jetzt erstellt werde. Als Stichworte nannte sie eine flächendeckende LED-Beleuchtung, die energetische Sanierung des Erika-Heß-Stadions und weitere Sparmaßnahmen bei den Heiz- und Energiekosten. „Hier müssen wir um die besten Wege streiten“, sagte Remlinger. „Nicht nur Licht aus, sondern Köpfchen an.“
Sanierungsstau der Schulen
ist eine große Herausforderung
Ganz oben auf der Liste stehen für die langjährige Bildungspolitikerin und die neue Schulstadträtin Maja Lasić auch die Schulen im Bezirk. „Eine Herausforderung ist das Aufholen des massiven Sanierungsstaus“, sagte Lasić. Was im schlimmsten Fall passieren könne, dafür stehe die Anna-Lindh-Grundschule. Wegen Schimmelbefalls gesperrt, musste die Schule nach Charlottenburg-Nord umziehen. Ob das alte Schulgebäude in Wedding abgerissen oder saniert wird, ist noch nicht klar.
Hauptbaustelle ist laut Stadträtin der Erhalt und die Schaffung von Schulplätzen. Hier brauche der Bezirk bei seiner Investitionsplanung „klare Unterstützung“ vom Land. Helfe könne eine zweite städtische Wohnungsbaugesellschaft, die wie die Howoge Kredite aufnehme, um Schulen zu sanieren oder neue zu bauen. Übernehmen könnte das demnach die Berlinova.
Neue Nazarethkirche kaufen?
Ein weiteres Thema ist der vom Bezirksamt gewollte Kauf der Neuen Nazarethkirche auf dem Leopoldplatz. Das Haus gehört der evangelischen Freikirche und die will es an die brasilianische „Universalkirche vom Reich Gottes“ weiterkaufen. Einen Mietvertrag hat die Universalkirche schon. Der Kaufpreis in Höhe von rund 400 000 Euro sei nicht das Problem, sagte Remlinger. Vielmehr müsste der Bezirk Millionen von Euro in die Sanierung der Kirche stecken und könnte das Gebäude jahrelang nicht nutzen – zum Beispiel für ein Mitmach-Museum für Kinder.
Unklar ist auch, welche Folgen eine mögliche Wahlwiederholung für das Bezirksamt hat. Je nachdem, wie die Wähler entscheiden, könnten Stefanie Remlinger und Maja Lasić ihre neuen Ämter im Februar wieder verlieren. Oder aber sie behalten ihre Posten unabhängig vom Wahlausgang, eben weil sie neu im Amt sind. Auch über diese Frage muss das Landesverfassungsgericht am 16. November für die Bezirke entscheiden. Remlinger und Lasić jedenfalls wollen ihre Jobs bis zum Ende der Wahlperiode 2026 behalten. Ein freiwilliger Rücktritt sei nicht reizvoll, so Remlinger. Stichwort Versorgungsansprüche.
Die beiden Berufspolitikerinnen schafften es bei der letzten Wahl 2021 nicht erneut ins Berliner Abgeordnetenhaus. Während sich die Diplom-Biologin Lasić für den Quereinstieg als Lehrerin an der Ernst-Reuter-Schule in Gesundbrunnen entschied, wurde Remlinger Bildungsstadträtin im Bezirksamt. Als Bürgermeisterin folgt sie Stephan von Dassel (Grüne) nach, den die Bezirksverordneten im September abgewählt hatten. Mit von Dassel steht Remlinger „im regen Austausch“. Sie sei froh, dass er zugesagt habe, ihr mit fachlichem Rat zur Seite zu stehen. Als Kollegen habe sie ihn „sehr geschätzt“, so Remlinger. „Ich mache jetzt nicht alles anders.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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