Bezirk mit langer Filmgeschichte
Von "Metropolis" bis "Inglourious Basterds"
Im Quartier Pulvermühle in Haselhorst sind viele Straßen nach Schauspielerinnen benannt: Lilli Palmer, Therese Giese oder Romy Schneider. Das ist kein Zufall. Vis-à-vis des Wohngebiets, am Eingang zur Insel Eiswerder, befinden sich die CCC Studios, die vor allem in der alten Bundesrepublik eine der wichtigsten Produktionsstätten für den deutschen Film waren.
CCC steht für Central Cinema Comp.-Film GmbH und wurde 1946 von Artur Brauner zusammen mit Joseph Einstein gegründet. Einstein stieg zwei Jahre später aus, Brauner wurde alleiniger Gesellschafter.
In den Studios in Haselhorst sind Szenen für mehr als 200 Filme gedreht worden. Klassiker wie die Karl-May-Reihe gehörten ebenso dazu wie Komödien, Werke, die die NS-Zeit thematisierten, und internationale Produktionen. Romy Schneider stand dort 1982 für ihren letzten Film „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ vor der Kamera. 25 Jahre zuvor hatte sie hier „Mädchen in Uniform" an der Seite von Lili Palmer gedreht. Auch bei vielen Edgar-Wallace-Krimiverfilmungen war der Tatort nicht London, sondern Spandau, einschließlich mancher Außenaufnahmen wie zum Beispiel auf der Zitadelle. Das Ufer der Havel wurde zum Gestade der Themse und die Mönchstraße in der Altstadt zur dunklen Gasse, in der ein Mörder lauern konnte.
Die Filmgeschichte Spandaus beginnt allerdings viel früher. Und zwar auf dem ehemaligen Flugplatz in Staaken. Dort wurden bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Zeppeline in riesigen Hallen gebaut. Als Deutschland danach durch den Versailler Vertrag jede militärische Luftfahrt verboten wurde, standen die Hallen leer. Eine neue Verwendung fanden sie danach als Filmkulisse.
1923 wurden mit einem damals inflationsbedingten Stammkapital von 525 Millionen Reichsmark die „Filmwerke Staaken AG“ gegründet. Sie nutzten die riesigen Luftschiffhallen nicht zuletzt für Großproduktionen: der „Schimmelreiter“ oder „Mata Hari“ wurden hier gedreht und vor allem 1925/26 der Monumentalfilm „Metropolis“ von Regisseur Fritz Lang. Die Hallen verfügten über eine Grundfläche von bis zu 6000 Quadratmetern und waren bis zu 42 Meter hoch. Auch das gesamte Areal hatte Mega-Dimensionen. Die zur Verfügung stehende Fläche übertraf sämtliche damaligen Filmproduktionsstätten zusammen um das Achtfache und war sogar größer als die amerikanischen Standorte, hieß es in einem Beitrag auf der Plattform berlin:street. Die Rede ist von mehr als 200 Filmen, die in Staaken entstanden sind.
Allerdings hatte der Flugplatz als Drehort schon bald wieder ausgedient. In den 1920er-Jahren wurde er für seine eigentliche Funktion, jetzt vor allem für den zivilen Luftverkehr, genutzt. Von dort aus gingen Flüge, zum Beispiel nach London, das Areal war Wartungs- und Trainingszentrum, auch Kunst- und Schaufliegertage fanden dort statt. Spätestens mit dem Aufkommen des Tonfilms kam es deshalb zu Nutzungskonflikten. Auch das war ein Grund für die Idee einer neuen Filmstadt Gatow. Das endgültige Aus kam dann durch die Nazis, die aus Staaken wieder einen Militärflughafen machten. 1934 wurde der Filmbetrieb beendet. Ein kurzes, aber nicht unbedeutendes Revival erlebte der Ortsteil im Jahr 2008. Damals wurden Szenen des Erfolgsfilms "Inglourious Basterds" von Regisseur Quentin Tarantino im Fort Hahneberg gedreht.
2008 gab es noch ein Ereignis, das mit der Spandauer Filmgeschichte zusammenhing. Im Rahmen der 750-Jahr-Feier von Gatow wurde die einstige Windmühle von Auszubildenden des Knobelsdorff-Oberstufenzentrums rekonstruiert. Das Original war im Jahr 1921 abgebrannt. Das passierte damals nicht fahrlässig, sondern war so geplant. Der letzte Besitzer hatte die schon ausrangierte Mühle an eine Filmproduktionsfirma verkauft. Sie wurde Teil der Dreharbeiten für einen Streifen namens „Die Liebesabenteuer der schönen Evelyne oder die Mordsmühle von Evanshill“ des Regisseurs und Produzenten Richard Eichberg. Dort ging sie als Teil der Handlung in Flammen auf. Der Film gilt heute als verschollen.
Nach Artur Brauner (1918-2019), dem Gründer der CCC-Studios und Berlins wahrscheinlich bekanntesten Filmproduzenten, soll in Spandau eine Straße oder ein Platz benannt werden. Die Würdigung soll außerdem seine Frau Maria Brauner (1925-2017) einschließen und auf diese Weise an ihr soziales Engagement erinnern. Der Antrag für dieses Gedenken wurde im vergangenen Jahr von der SPD-Fraktion in der BVV initiiert. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, der Tierschutzpartei, FDP und Die Linke zeichneten das Anliegen mit. Es wurde in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 27. September 2023 als Prüfauftrag im Konsens verabschiedet. Das Bezirksamt hat seither die Aufgabe, einen geeigneten Ort zu finden, an dem eine Umsetzung des Beschlusses möglich wäre. Passieren könnte das aber frühestens ab kommendem Sommer, nach dem fünften Todestag von Artur Brauner.
Gewünscht werde, wenn möglich eine Straße oder Platz in der Nähe der CCC-Studios, erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Ina Bittroff. Am besten irgendwo zwischen Lilli Palmer, Romy Schneider und den anderen Schauspielerinnen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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