Sami Ben Mansour schafft mit seinen Graffiti urbane Kunst
Kreatives aus der Dose
Sami Ben Mansour sprüht nicht einfach nur Lack auf die Wand. Der Spandauer ist einer der bekanntesten „Spraycan Artists“ in Berlin. Sein Charakteristikum: Landschaften, Fotorealismus und Comic Art.
Graue Wände bunt machen. Das ist das erklärte Ziel von Sami Ben Mansour. Der Untergrund ist ihm egal. Seine Motive passen überallhin: an eine Hausfassade, ein Garagentor, eine Bühnenwand, ein Trafohäuschen oder eine Autotür. Der Kreativität setzt Mansour nur eine Grenze. Möglichst authentisch sollen seine Bilder sein. Neben Landschaften ist ihm der Fotorealismus die liebste Ausdrucksform, wenn also Figuren, Porträts oder Objekte, die er abbildet, so naturgetreu wirken, als wären sie fotografiert worden. Alles andere sei nicht echt, sagt Mansour.
Dafür spielt er gern mit der Vielfalt der Farben – und der Größe. Je mehr Fläche der Spandauer bemalen kann – ein Graffiti-Künstler sprüht nicht, er malt – umso eher wird aus seinem Bild eine Geschichte. So wie die bei seinem jüngsten Projekt. Ein Zahnarzt trägt ihm auf, der Wand im Wartezimmer seiner Praxis einen neuen Look zu verpassen. Sami Ben Mansour entwirft das Zahnputzkrokodil, den OctyPutz und den zahnlosen Hai, der sich unsterblich in einen Wurm mit Zahnspange verliebt. Kurz vor Weihnachten steigt Mansour auf die Leiter und malt das spaßige Abenteuer an die Wand. „So was macht mir unglaublich viel Spaß“, sagt Mansour. „Das geht dann wie aus dem Effeff.“
Über den Hip-Hop
zum Sprayen gekommen
Dass ihm die „Kanne“ (Sprühdose) so locker in der Hand liegt, hat viel mit seinem Talent zu tun. Und dass er mit Vergnügen für Kinder malt. Vor allem aber ist es der lange, „farbige“ Weg, den der 44-Jährige hinter sich hat. Schon als kleiner Junge gelingen ihm die ersten Comic-Figuren. 1984 weckt dann die Hip-Hop-Welle seine Leidenschaft speziell fürs Kunst-Graffiti, er tauscht den Fineliner gegen die Sprühdose. Doch bevor Sami Ben Mansour Graffiti-Künstler wird, macht er eine Lehre als Lackierer. Seine Eltern haben im Lagerweg in Spandau eine Kfz-Werkstatt. Doch es ist nicht das, was ihn bereits als Kind antrieb. „Ich hatte so viele Ideen im Kopf, die wollte ich umsetzen.“ Mansour lässt sich zum Grafikdesigner ausbilden, bringt sich in Schulungen die Film- und Videoproduktion bei, mit „besonderer Vorliebe für Postproduction und Motiongraphics“. Weil er Kinder mag, wird er später noch Erzieher und arbeitet drei Jahre in einer Kita in Niederschöneweide.
Dazwischen passiert viel in seinem Leben. Weil alles hier nicht hin passt, nur soviel: 1991 macht sich Mansour neben seiner Lehre als Kfz-Lackierer mit dem „Wildstyle“-Shop, dem ersten HipHop-Laden in Deutschland, selbstständig. Zwei Jahre später entwickelt der Spandauer mit der Spray Color GmbH die erste „ungiftige“ Sprühdose für Graffiti, ohne Wasserlacke und Aromastoffe. Mansour ist in der HipHop-Szene unterwegs, produziert Rap-Songs, gründet eine Graffiti-Crew und übernimmt Aufträge, beispielsweise für Mercedes Benz, Deutsche Bahn, BVG oder Rosenthal Porzellan, für die er ein Kaffee-Service designt. Und er stellt soziale Projekte mit Jugendlichen auf die Beine. 1993 wird Mansour in Los Angeles für sein Streetart-Wandgemälde „The Mural for Peace“ in Compton ausgezeichnet. Zwischen 1997 und 2003 bekommt er in Berlin weitere Preise, darunter für seine ehrenamtliche Jugendarbeit im „Interkulturellen Haus Schöneberg“ und für die Prävensionsarbeit mit rechten Jugendlichen. Als Graffiti-Aktivist organisiert er Workshops und Aufklärungsseminare gegen das Negativ-Image. „Ein Graffito ist mehr, als nur Farbe an die Wand zu sprühen, das ist urbane Kunst“, sagt Mansour. „Change negativ to positiv, nutze die negative Energie und mach’ was Gutes daraus.“ Dieser Leitgedanke der Graffiti-Gründer aus New York ist auch sein Motto. Kunst versus Vandalismus.
Ausstellung in der Notunterkunft
Mittlerweile tritt Sami Ben Mansour beruflich etwas kürzer. Mit seiner Frau Ulrike betreibt er den „Wildstyle“-Shop im Lagerweg, zu Hause haben beide fünf Kinder. Im Dezember 2018 gründet Mansour den Arbeitskreis „Urbane Kunst & Kultur Deutschland“ mit und wird dessen Vorsitzender. Außerdem leitet er den gemeinnützigen Verein „Sprühlinge“, der die soziale Integration fördern und Jugendliche für die Graffiti & Urban Art begeistern will.
Der Verein organisiert im letzten Oktober auch die temporäre Ausstellung „Urban Lines“ in der ehemaligen Notunterkunft am Rohrdamm 22. Mehr als hundert Graffiti-Künstler stellen dort auf 4000 Quadratmetern zehn Tage lang ihre Werke aus.
„Kunst ist eine Metapher für mich“, sagt Mansour. „Wenn du es nicht mit Liebe machst, ist es nichts wert.“ So sind Graffiti zu seiner Passion geworden. „Kanne“ ist der gängige Sprachgebrauch für die Sprühdose.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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