Neues Gesetz bringt auch neue Verwaltung
100 Jahre Groß-Berlin: Patt bei der Bürgermeisterwahl
Am 27. April 1920 beschließt der Preußische Landtag mit den Stimmen von Sozialdemokraten und Liberalen das „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“, auch Groß-Berlin-Gesetz genannt. Die brandenburgischen Orte ringsum Berlin haben viele freie Flächen für den Bau neuer Wohnsiedlungen, und vor allem wohnen dort finanzkräftige Steuerzahler.
Zu den acht Städten, die eingemeindet werden, gehört auch Spandau – seit dem Mittelalter selbständig und bis zuletzt Gegner des Gesetzes. Nun aber verliert die Stadtgemeinde Spandau ihre kommunale Unabhängigkeit und geht als achter Verwaltungsbezirk vor Wilmersdorf und Zehlendorf in der Großgemeinde Berlin auf. Spandaus Fläche vergrößert sich auf knapp 9000 Hektar, fast doppelt so viel wie vor der Eingemeindung. Denn hinzu kommen die ehemaligen Landgemeinden und Gutsbezirke Gatow, Kladow, Staaken, Pichelsdorf, Tiefwerder, die Gemarkung Zitadelle, der nördliche Teil der Heerstraße und Pichelswerder. Einwohnerzahl damals: 104.223.
Von den neuen Gemeinden ist Staaken am längsten mit Spandau verbunden. Über viele Jahrhunderte blieb es das einzige Kämmereidorf der Stadt Spandau. Im Gegensatz zu Staaken sträuben sich die Dörfer Gatow und Cladow über Jahre vehement gegen die Eingemeindung.
Langes Warten auf die U-Bahn
Aber auch sonst lässt sich der neue Verwaltungsbezirk Spandau nur schwer nach Berlin integrieren. Der Nahverkehr ist mangelhaft ausgebaut, und Straßenverbindungen nach Berlin gibt es erst verhältnismäßig spät. Zwar wird Spandau ans Stadtbahnnetz angebunden. Doch was die Havelstadt schon 1920 bei der Eingemeindung forderte, nämlich ans U-Bahnnetz angeschlossen zu werden, erfüllt sich erst mehr als 60 Jahre später.
Auch die Umstellung der Bezirksverwaltung ist zum Zeitpunkt der Eingemeindung noch nicht abgeschlossen. Am 20. Juni 1920 findet die erste Kommunalwahl in der neuen „Einheitsgemeinde Berlin“ statt. Gewählt werden die neue Stadtverordnetenversammlung und die Bezirksverordneten. Im neuen Bezirk Spandau mit mehr als 100.000 Einwohnern können in der Bezirksversammlung 40 Sitze verteilt werden. Sechs Parteien werden hinein gewählt: USPD, SPD, DDP, DVP, Zentrum und die DNVP. Die Wahl des Bezirksbürgermeisters am 24. Februar 1921 wird dagegen zum politischen Patt. Denn der bürgerliche Martin Stritte, vorher Bürgermeister von Tegel, und der von den sozialistischen Parteien aufgestellte Gegenkandidat Paul Hartung bekommen die gleiche Stimmenanzahl. Das Losverfahren entscheidet schließlich für Stritte. Am 27. April 1921, rund ein Jahr nach dem Beschluss über das Groß-Berlin-Gesetz, führt der Berliner Oberbürgermeister Gustav Böß den neuen Bezirksbürgermeister feierlich in sein Amt ein. Zum neuen Bezirksamt gehören neben dem Bürgermeister und seinem Stellvertreter fünf bezahlte und vier unbesoldete Stadträte. Letztere werden nach den politischen Mehrheitsverhältnissen in der BVV benannt.
Spandau baut um die Not zu lindern
1920 tagt die BVV Spandau 20 Mal. 1068 Vorlagen hat sie damals auf dem Tisch. Ihre wichtigsten Themen: Beseitigung der Kriegsschäden, Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot.
Über 8000 Arbeitslose zählt Spandau 1920, mehr als 10.000 sind auf der Suche nach Obdach. Um die größte Not zu lindern, lässt die öffentliche Hand bis 1924 acht Etagenhäuser mit 47 Wohnungen an der Jüdenstraße und am Viktoriaufer neu bauen. Weitere Wohnhäuser – Mehrfamilienhäuser und Eigenheime – entstehen an der Schönwalder Allee, in der Weverstraße und am Südpark. Bis 1931 kommen mehrere neue Wohnsiedlungen hinzu, unter anderem in der Wilhelmstadt, zwischen Zeppelinstraße und Hohenzollernring sowie vom Wansdorfer Platz bis zur Mertensstraße. Die „Reichforschungssiedlung Haselhorst“ mit 3450 neuen Wohnungen wird bis 1935 fertig.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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