Fast geräuschloser Machtwechsel
Warum in Spandau schnell klappte, wofür andere Bezirke länger brauchen
Spandau hat Geschichte geschrieben – zumindest ein wenig: Als erster Bezirk in Berlin sind hier bereits am 29. März die Konsequenzen aus den Ergebnissen der Wahlwiederholung vom 12. Februar vollzogen worden. Trotz schwieriger Ausgangslage passierte das einigermaßen geräuschlos und schnell.
Spandau war nicht immer so ein Ort der Harmonie. Es hat auch schon Zeiten gegeben, in denen sich die Fraktionen in der BVV in erbitterter Gegnerschaft gegenüber gestanden haben. Dass das heute etwas anders ist, liegt auch an den Erfahrungen aus der Vergangenheit, aber noch mehr am heute handelnden Personal. Streit in der Sache gab es auch weiter und wird es auch in Zukunft geben. Aber daneben auch persönliche Beziehungen und Wertschätzung jenseits vieler Parteigrenzen.
Die Protagonisten. Dass es in Spandau zu einem ziemlich entspannten Machtwechsel gekommen ist, lag nicht zuletzt an der bisherigen Bürgermeisterin Carola Brückner (SPD) und ihrem Nachfolger Frank Bewig (CDU). Carola Brückner hatte schon sehr früh deutlich gemacht, dass aus einem Wahlergebnis entsprechende Schlüsse zu ziehen seien. Gerade aus der CDU hat sie dafür viel Anerkennung bekommen.
Auch Frank Bewig ist kein Mensch, der polarisiert und es auf Konfrontation anlegt. Und trotz seiner 47 Jahre ist er inzwischen ein Urgestein der Spandauer Politik und hat vom BV-Vorsteher über diverse Stadtratsposten schon zahlreiche Ämter bekleidet.
Schwarz-Grün. CDU und Grüne haben zu einer Zählgemeinschaft zusammengefunden, was nur auf den ersten Blick erstaunlich erscheint. Denn zwischen diesen beiden Parteien gibt es bei allem politischen Disput teilweise sehr enge persönliche Kontakte. Dass er schon sehr lange mit seinem bisherigen Stadtratskollegen Oliver Gellert befreundet sei, wäre kein Geheimnis, erklärte beispielsweise Baustadtrat Thorsten Schatz (CDU). Prompt nahm Schatz Gellert in Schutz, als der von der SPD wegen angeblich zu wenig Einsatz für die geplante Skateanlage in Siemensstadt angegangen wurde. Erstens wäre für dieses Projekt nicht der Kollege von den Grünen, sondern er verantwortlich, widersprach der Baustadtrat. Außerdem müsse dafür erst einmal ein Platz gefunden werden.
Dass Oliver Gellert seinen Stadtratsposten verlor, weil den Grünen nach den Ergebnissen der Wahlwiederholung kein Sitz im Bezirksamt mehr zusteht, wurde von der CDU bedauert. Er habe, obwohl nur gut ein Jahr im Amt, tiefe Spuren hinterlassen, würdigte ihn Frank Bewig. „Du wirst fehlen.“
Dass die beiden Parteien eine Zählgemeinschaft bilden, hängt aber vor allem mit handfesten Interessen zusammen. Bei der CDU werden sie unter anderem als „Ausweiten des Spielfeldes“ beschrieben. Gerade weil es auf Landesebene wahrscheinlich zu einer Koalition mit der SPD komme, zeige das Bündnis mit den Grünen in Spandau auch eine Alternative, vielleicht sogar über den Bezirk hinaus. Etwa nach dem Motto: „Wir könnten auch mit anderen.“
Nach mehr als elf Jahren SPD-Bürgermeister hätte sich Spandau bei der Wahlwiederholung einen Wechsel an der Spitze gewünscht, meinte die Grüne-Fraktionsvorsitzende Dara Kossok-Spieß bei der Präsentation der Zählgemeinschaftsvereinbarung. Für ihre Partei sieht nicht nur sie durch das Bündnis mehr Einflussmöglichkeiten auf die Bezirkspolitik. Die Vereinbarung besteht zwar über weite Strecken aus Absichtserklärungen, aber manch grüne Lieblingsprojekte sind dort erwähnt, etwa der Ausbau von Fahrradwegen. Die Zählgemeinschaft sorgt für Mitsprache, gerade nachdem der Sitz im Bezirksamt verlorengegangen ist.
Wechselnde Mehrheiten. Unumstritten war das Bündnis mit der CDU bei den Grünen nicht. Sie verloren dadurch sogar ein weiteres Fraktionsmitglied, haben jetzt nur noch vier Bezirksverordnete, obwohl ihnen nach dem Wahlergebnis sechs zustehen. Durch den Austritt hat die Zählgemeinschaft in der BVV jetzt einen Sitz weniger als die absolute Mehrheit.
Gefährlich dürfte diese Konstellation aber wahrscheinlich nicht werden. Um Schwarz-Grün auszuhebeln, bräuchte es in der BVV ein Zusammengehen aller anderen Fraktionen von den Linken bis zur AfD. Und speziell mit den Rechtsaußen möchte niemand paktieren. Eher sind wechselnde Mehrheiten zu erwarten. Der Blick richtet sich dabei vor allem auf die FDP, deren inzwischen wieder drei Fraktionsmitglieder bei manchen Themen ins Boot geholt werden können. Auch die Tierschutzpartei, die sogar auf vier Bezirksverordnete angewachsen ist, wird in diesem Zusammenhang genannt.
Friede, Freude, Eierkuchen? Bei aller Sympathie und nahezu beispielhaftem Neustart werden die kommenden gut drei Jahre in der BVV nicht nur von Harmonie geprägt sein. Es wird bestimmt zu harten Auseinandersetzungen kommen. Nicht zuletzt die SPD wird wahrscheinlich versuchen, ihr Profil zu schärfen. Es wird um große Fragen und kleinliche Querelen gehen. Aber hoffentlich immer im Streit um die beste Lösung.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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