Gustav Lilienthal baute Burgen wie im alten Schottland
Lichterfelde. Nicht nur Flugpionier Otto Lilienthal machte in Lichterfelde von sich Reden. Sein jüngerer Bruder Gustav prägte den Ortsteil durch seine Burgen ähnlichen Wohnhäuser. Er sah seine Berufung darin, familienfreundliche Häuser für die unteren Schichten des Mittelstandes zu bauen.
Vorbilder waren englische Reihenhäuser, wie Gustav Lilienthal sie auf seinen Reisen oft gesehen hatte: flaches Dach mit Türmchen und Zinnen bekrönt, ohne Sockelgeschoss und repräsentative Innenräume, schlichte Fassadengestaltung durch verschiedene Putzstrukturen und Fensterformen. Sein erstes Haus baute er 1892 im Tietzenweg 51 für sich und seine Familie in genau diesem Stil. Auf dem nur 200 Quadratmeter großen Grundstück war nicht viel Platz und auch das Haus war so klein, dass seine Frau sich so manchen Spott der Nachbarn aus den prächtigen Gründerzeitvillen anhören musste. Lilienthals Antwort auf Spott und Häme prangte gut sichtbar am Haus: „Wer nicht kann halten Maß, das Bauen lieber lass. Schon dieser kleine Zwickel kost' 100 000 Nickel.“ Das Haus im Tietzenweg 51 steht heute noch, wurde allerdings stark verändert. Die Lilienthals wohnten nur zwei Jahre darin, danach wurde es zu klein für die wachsende Familie. In der Marthastraße 5 baute Lilienthal ein größeres Haus. Es befindet sich noch immer in Familienbesitz.
Die eigenwilligen Häuser zu bezahlbaren Preisen gefielen vor allem dem Bildungsbürgertum. Zwischen 1892 und 1900 wurde Lilienthal mit dem Bau von weiteren 20 Einfamilienhäusern beauftragt.
Der Architekt hatte ein besonderes Gespür, mit einfachen Mitteln praktische und ansprechende Häuser zu bauen. Er wollte gute Wohnverhältnisse schaffen, die nicht nur den Reichen vorbehalten bleiben sollten. Die protzigen Villen der Wilhelminischen Zeit mochte er nicht. Lilienthal dachte bei seinen Bauten an die Bedürfnisse der Nutzer und legte Wert darauf, dass die Häuser familienfreundlich, praktisch und gemütlich waren.
Neben dem Verzicht auf teure Bauteile, die nur der Außenwirkung dienten, waren die Häuser auch technisch innovativ. Der zweischalige Wandaufbau, in dem sich die Schächte für die Warmluftheizung befinden, war seiner Zeit weit voraus. Auch wenn die an schottische Burgen erinnernden Häuser eher der romantischen Burgenarchitektur zugeordnet werden könnten, stehen sie doch für den Beginn der Moderne. Die altertümlich anmutenden Burgzinnen sind zugleich Abluftschächte der Warmluftheizung und die hölzernen Zugbrücke schafft den Zugang zum Haus ohne den Wohnräumen im Kellergeschoß das Licht zu nehmen.
Heute befinden sich 16 der 22 Lichterfelder Lilienthal-Häuser unter Denkmalschutz. Vor allem im zweiten Wohnhaus von Gustav Lilienthal in der Marthastraße 5 ist die Wohnkultur von Damals fast unverändert erlebbar. Auch an anderen Häusern sind noch viele originale Bauteile erhalten wie zum Beispiel der inzwischen 120 Jahre alte Putz. An der Qualität der Ausführung und der Materialien hat der Architekt nicht gespart. Der Geburtstag von Gustav Lilienthal jährte sich am 9. Oktober zum 166. Mal. KM (Quelle: Untere Denkmalschutzbehörde).
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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