Gisela Meyer erlebte Mauerbau aus nächster Nähe
"Das Leben in unserer kleinen Mehrfamilienhaus-Siedlung war sehr ruhig. Wie lebten wie am Ende der Welt", erinnert sich Gisela Meyer. Seit ihrem neunten Lebensjahr wohnt sie hier am Ospreußendamm, 1961 erlebte sie den Bau der Mauer, blickte 28 Jahre lang auf das Bauwerk, bis sie im November 1989 Zeuge wurde, wie die Menschen aus dem Osten zu Hunderten am Zaun standen und dann am 14. November an dieser Stelle die Grenzöffnung gefeiert wurde. "Wir hatten uns irgendwie mit der Grenze arrangiert. Sie war nun mal da", sagt Gisela Meyer.
Man gewöhnte sich daran, dass es nachts in ihrem Schlafzimmer taghell war, so dass sie im Bett lesen konnte, ohne das Licht anzumachen. Zur Gewohnheit wurde auch, dass sie zu den Vopos im Wachturm unmittelbar hinter ihrem Haus Blickkontakt hatte. Nicht gewöhnen konnte sie sich jedoch an die Schüsse, die immer wieder fielen.
"Wir haben einen Fluchtversuch vom Fenster aus erlebt. Das war beängstigend. Die Schüsse haben mich noch lange im Traum verfolgt", erinnert sich die ehemalige Gemeindeschwester.
Was die Grenzöffnung selbst betrifft, hat Gisela Meyer lange gebraucht, um zu realisieren, dass die Grenze plötzlich weg war. "Obwohl wir damals noch 25 D-Mark bezahlen mussten, sind wir die erste Zeit fast jeden Abend durch Teltow spaziert. Die Grenzer kannten uns schon."
Als ihr Mann die Grenzöffnung gefilmt hatte und das von den Grenzpolizisten beobachtet wurde, waren die Männer in Uniform gespannt auf das Ergebnis und fragten, wann sie den Film sehen könnten.
"Ein paar Tage später saßen zwei Grenzer und zwei Zöllner in Zivil bei uns im Wohnzimmer - illegal. Wir haben die Film angeschaut, gequatscht und Bier getrunken. Das waren ganz normale junge Männer", erzählt Gisela Meyer.
Mit dem Fall der Mauer hat sich ihr Leben und das ihrer Familie komplett verändert. "Es haben sich völlig neue Dimensionen ergeben, es sind viele Freundschaften und gute Kontakte entstanden. Wir haben jede Menge nette Menschen aus dem ehemaligen Osten kennengelernt." Dazu haben nicht zuletzt die vielen Fahrten ins Umland beigetragen.
"Jedes Mal, wenn wir im Umland waren, haben wir uns wie im Urlaub gefühlt. Wir wussten ja nicht wie es aussah und waren begeistert von den vielen Seen", sagt Gisela Meyer. Inzwischen hat Gisela Meyer einen sehr engen Kontakt zum Heimatverein Teltow.
Wenn sie heute auf die letzten 25 Jahre zurückblickt, kann sie sagen, dass hier wirklich zusammengewachsen ist, was zusammengehört. "Es gibt keine Grenze mehr, auch nicht in den Köpfen." Die gäbe es dann schon eher zwischen den Bewohnern von Lichterfelde-Süd und Lichterfelde-West, findet Gisela Meyer.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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