"Ich habe immer in der Nähe der Grenze gewohnt"

Vanessa Arend-Martin kam aus dem Westen und hat sich in Teltow mit ihrer Buchhandlung eine Existenz aufgebaut. | Foto: K. Menge
  • Vanessa Arend-Martin kam aus dem Westen und hat sich in Teltow mit ihrer Buchhandlung eine Existenz aufgebaut.
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Lichterfelde. Am 9. November jährt sich der Tag der Maueröffnung zum 25. Mal. In einem Viertel Jahrhundert hat sich in der einst geteilten Stadt viel verändert. Aber auch das Leben vieler Menschen wurde durch den Fall der Mauer beeinflusst und verlief oft anders als geplant. Einige dieser Menschen stellt die Berliner Woche in den nächsten Ausgaben vor.

Vanessa Arend-Martin hatte ihre Kindheit im Schatten der Mauer verlebt. 1975 geboren, wohnte sie mit ihren Eltern in Kassel. Die sogenannte Zonengrenze war stets präsent. Heute lebt die 39-Jährige mit ihrer Familie dort, wo einst die Mauer Berlin umschloss. "Wir haben uns im Jahr 2000 hier in Teltow, nahe des Mauerweges, ein Haus gekauft", erzählt Arend-Martin. Nach einer ziemlich aufwendigen Sanierung konnten sie und ihr Mann das Haus aus den 30er-Jahren dann 2003 beziehen. "Es ist merkwürdig, aber ich habe immer in der Nähe der Grenze gewohnt."

In ihrer Kindheit war das "Zonenrandgebiet" eigentlich kein Thema. Trotz der Nähe zur Grenze wurde die deutsche Teilung in der Schule nicht erwähnt. "Die deutsche Geschichte hörte in den Geschichtsbüchern 1945 auf", sagt Vanessa Arend-Martin. "Ich fand es damals erschreckend, dass in der Rhön oder im Harz ein Zaun war und man plötzlich nicht weiter konnte", erinnert sie sich.

Den Mauerfall hatte sie erst so richtig wahrgenommen, "als ganz viele Thüringer zum Einkaufen nach Kassel kamen." Auch sie erkundete die Städte in den Neuen Bundesländern. Eisenach, Heiligenstadt, Dessau. Und natürlich: Berlin.

In die ehemals geteilte Stadt zog es sie nach ihrem Abitur 1996. Berlin hätte sie schon als Zwölfjährige fasziniert. Dass sie aber im Ostteil der Stadt, an der Kunsthochschule Weißensee, studieren würde, hätte sie nicht gedacht.

Während ihres Studiums im Textil- und Flächendesign jobbte sie in der Buchhandlung Hugendubel am Potsdamer Platz. Später wurde sie Mitarbeiterin bei Hugendubel. Seit 2012 ist sie Inhaberin ihrer eigenen kleinen Buchhandlung, dem "Buchkontor Teltow" in der Teltower Altstadt.

"Ohne den Fall der Mauer wäre mein Leben ganz sicher anders verlaufen", sagt die Mutter zweier Kinder. Sicher hätte sie auch studiert, aber in den alten Bundesländern. "Aber ich wäre nicht in Kassel geblieben. Wahrscheinlich wäre ich dann nach Berlin gegangen."

Dass sie nun eine eigene Buchhandlung hat und mit ihrer Familie in einem Haus im ehemaligen Sperrgebiet wohnt, wäre für sie vor 25 Jahren nicht vorstellbar gewesen. Auch ihre beiden Kinder, die in Lichterfelde zur Schule gehen und täglich zwischen den Stadtgrenzen Teltow und Berlin pendeln, können sich kaum vorstellen, dass es für viele Menschen Jahrzehnte nicht möglich war, diesen Weg zu fahren.

Heute zählt die Familie Arend-Martin zu den "alten Zugezogenen". "Wir fühlen uns wohl hier", sagt Vanessa Arend-Martin. Dass es heute noch Menschen gibt, die wieder eine Mauer wollen, kann sie nicht nachvollziehen. "Ich denke, die Chancen sind für alle größer geworden."

Karla Menge / KM
Autor:

Karla Rabe aus Steglitz

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