„Wir forschen, damit mehr überleben“
Interview mit Professorin Angelika Eggert über die Kinderkrebsforschung auf dem Campus Virchow der Charité
In diesem Jahr hat die Charity-Show „Stars in Concert“ im Estrel Festival Center zum 25. Mal stattgefunden. Veranstaltet wird die Gala vom Verein „Kinder in Gefahr“ unter dem Motto „Menschen Freude bereiten, um Kindern zu helfen“.
Dank der Spende der Sparda-Bank Berlin über 25 000 Euro können 2023 gesundheitlich benachteiligte Kinder und die Kinderkrebsforschung an der Charité unterstützt werden. Berliner-Morgenpost-Redakteurin Petra Götze fragte Professorin Angelika Eggert, Leiterin der Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie auf dem Campus Virchow in Wedding, wofür die Spenden gebraucht werden.
Wie sieht Ihre Arbeit an der Kinderklinik aus?
Angelika Eggert: Wir behandeln Kinder und Jugendliche mit Krebserkrankung und versuchen, möglichst viele wieder gesund zu machen, mit möglichst wenig Nebenwirkungen. Im Jahr kommen etwa 150 Kinder mit einer neu diagnostizierten Krebserkrankung zu uns, dazu kommen circa 50 Rückfälle und rund 50 Stammzelltransplantationen.
Was sind das für Nebenwirkungen?
Angelika Eggert: Die Therapien, meistens Chemotherapien, die wir verabreichen müssen, um den Krebs zu heilen, sind sehr aggressiv. Kinder vertragen deutlich höhere Dosen als Erwachsene, weil alle Organe frisch und jung sind. Das ermöglicht durch die Aggressivität der Therapie eine hohe Heilungsrate. Die liegt in Deutschland durchschnittlich bei 82 Prozent, bezogen auf alle Kinderkrebserkrankungen. Dazu muss man wissen: Kinder haben ganz andere Krebsarten als Erwachsene. Bei ihnen spielen spontane Genveränderungen im Gewebe eine viel größere Rolle als Umwelteinflüsse. Außerdem haben circa zehn Prozent unserer Patienten eine familiäre – also erbliche – Veranlagung, Krebs zu entwickeln.
Woran forschen Sie hier an der Charité?
Angelika Eggert: Grundsätzlich ist das Ziel, neue Ansatzpunkte für verbesserte Behandlungsmöglichkeiten zu finden, um gezielte Therapien entwickeln zu können, die besser verträglich sind. Wir untersuchen sehr präzise die Wirkung einer Therapie auf die Tumorzellen. Technologisch sind wir mittlerweile sogar in der Lage, das Ansprechen einer Behandlung in Blut- oder Urinproben zu verfolgen. Früher musste im OP mehrfach eine Biopsie aus dem Tumorgewebe entnommen werden. Heute können wir bereits Abbauprodukte eines Tumors im Blut untersuchen und daraus Krankheitsaktivitäten ableiten. So können wir zukünftig hoffentlich die Intensität der Therapie auf den einzelnen Patienten anpassen. Das ist allerdings alles noch im Frühstadium der Forschung.
Warum ist diese Forschung wichtig?
Angelika Eggert: Die Therapien in der Kinderonkologie zu verbessern ist eine wichtige Aufgabe der Universitätsmedizin, weil die großen Pharmafirmen häufig daran nicht besonders interessiert sind. Der Markt ist mit 2300 Neuerkrankungen im Jahr in Deutschland zu klein, um für die Pharmaindustrie attraktiv zu sein. Wir brauchen aber für Kinderkrebserkrankungen teilweise ganz andere Medikamente als für Erwachsene. Die Hälfte der Medikamente für Kinder, die wir einsetzen, wurde vor 1980 entwickelt, die meisten anderen in den 90er-Jahren. Das heißt, wir brauchen die akademische Forschungsleistung, denn die Pharmafirmen steigen erst dann ein, wenn es erfolgversprechende Ergebnisse gibt, zum Beispiel in der Neuroblastrom-Behandlung.
Weshalb werden dafür Spenden gebraucht?
Angelika Eggert: Bei uns denken die meisten beim Thema Forschung an Pharmaforschung oder glauben, dass akademische Forschung komplett vom Staat aus Steuermitteln bezahlt wird. Dass es aber große Lücken gibt, die mit Spenden und Stiftungsgeld gefüllt werden müssen, ist in Deutschland nicht so präsent wie in den Nachbarländern oder den USA. Gerade der Anfang bei der Forschung zu neuen Therapieansätzen, das Datensammeln und das Erstellen und Auswerten von Studien ist teuer. Auch die Kosten für Material zum Beispiel in der Zellkulturforschung haben sich verdoppelt.
Was wollen sie mit der Forschung erreichen?
Angelika Eggert: Dass mehr Kinder mit Krebserkrankungen überleben und weniger von ihnen an den Spätfolgen leiden. Zurzeit leiden circa zwei Drittel der überlebenden Patienten nach einer kindlichen Krebserkrankung an mindestens einer gravierenden Spätfolge – von Organschäden bis zu psychologischen Folgen. Und dass wir bessere Therapien finden bei Rückfällen. Ein Schwerpunkt ist auch, herauszufinden, welcher Patient von welcher Behandlung profitiert – und das möglichst bevor wir die Medikamente verabreichen. Wir bieten zudem verstärkt Immunzelltherapien an und bilden Mitarbeiter auf dem Gebiet aus – auch ein Ergebnis unserer Forschung. Immer mit der Idee, die Heilungsrate zu verbessern und Nebenwirkungen zu verringern. Wir sind daher sehr dankbar, dass wir durch die Charity-Gala Spenden und Aufmerksamkeit für krebskranke Kinder bekommen, die eben nicht wie kleine Erwachsene behandelt werden können.
Wer die Krebsforschung an der Charité durch eine Spende unterstützen möchte, erhält mehr Informationen im Internet auf https://bwurl.de/19c9
Autor:Petra Götze aus Mitte |
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