Archäologen legen auf dem Tacheles-Areal Reste des Synagogen-Tempels frei
Mitte. Die Grabungsarbeiten auf dem Tacheles-Areal zwischen Oranienburger Straße und Johannisstraße sind beendet. Archäologen haben die gut erhaltenen Kellergeschosse der historisch bedeutsamen Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde freigelegt.
„Das ist ein sehr bedeutsamer Fund“, sagt Karin Wagner, Leiterin für Gartendenkmalpflege und Archäologie beim Landesdenkmalamt. Auf der jahrzehntelang als Parkplatz genutzten Brache, auf der in den kommenden Jahren ein Wohn- und Geschäftsviertel aus dem Boden gestampft wird, wurde jetzt der komplett erhaltene Keller des Hauptraums der Synagoge freigelegt. Auch die östlichen Keller liegen noch im Boden. Nur die Keller der westlichen Seitenräume sind durch eine Fernwärmeleitung fast vollständig zerstört.
Synagoge als 3D-Modell
Wie Karin Wagner sagt, haben die Experten die Synagogenreste per Laser gescannt. Mit den Daten soll die Synagoge als dreidimensionales Modell rekonstruiert werden. Der Investor PWR Development wurde nach Bürgerprotesten erst kurz vor Beginn der Erdarbeiten vom Landesdenkmalamt zur „archäologischen Baubegleitung“ verpflichtet. Er hat nur eine Dokumentationspflicht. Das heißt, die ausgegrabenen Reste werden lediglich kartografiert und fotografiert und können dann weg. Es besteht Baurecht für eine zweigeschossige Tiefgarage. „Die Möglichkeit, die Fundamente freizulegen und gegebenenfalls von Bebauung freizuhalten, war gegeben“, heißt es aus der Senatsbauverwaltung. Das hätte aber alles vor der Erteilung der Baugenehmigung für das Megaprojekt Tacheles-Quartier geschehen müssen.
Erinnerung an Reformgemeinde
Laut Wagner wird jetzt mit dem Bauherren verhandelt, in einer geeigneten Form an die Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde zu erinnern. Der „Tempel“ an der Johannisstraße 16 ist einer der ersten Synagogenneubauten Mitte des 19. Jahrhunderts in Berlin und die erste Synagoge der 1846 gegründeten „Gesellschaft für Reform im Judentum“. Der Zentralbau über kreuzförmigem Grundriss wurde 1852 vom Architekten Gustav Stier errichtet. Die Synagoge stand zwar etwas von der Straße zurückgesetzt, war aber durch die repräsentative Fassade und den hohen Turm gut sichtbar. Neu in diesem „Tempel“ war unter anderem der Gottesdienst am Sonntag, die stärkere Verwendung der deutschen Sprache oder der Verzicht auf getrennte Sitzordnung sowie Kopfbedeckung. Seit 2006 erinnert eine Gedenktafel an der Johannisstraße mit Text und Fotos an das frühere Gotteshaus, das in der Pogromnacht 1938 von SA-Leuten verwüstet, wieder instandgesetzt und von 1940 bis 1942 als Ersatz für die geschlossene Neue Synagoge in der Oranienburger Straße genutzt wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde der „Tempel“ zerstört, die Ruinen später abgetragen. 60 Jahre erinnerte nichts an das Gotteshaus. Die Gedenktafel hängt derzeit provisorisch am Bauzaun. Die Stiftung Neue Synagoge möchte „eine würdevollere Kennzeichnung“ als bisher. Denkbar sei, an einer Multimediastation auf dem Gelände 3D-Simulationen der Synagoge zu zeigen, so Karin Wagner. „Wir werden uns dafür einsetzen, gegebenenfalls architektur- oder ritualabbildende Baureste als Block zu bergen, um sie nach Abschluss der Bauarbeiten vor Ort wiederaufzustellen und mit einer Information über den Ort zu versehen“, heißt es aus dem Landesdenkmalamt. Entschieden ist noch nichts. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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