Baum-Reha für Platanen: Hoher Aufwand bei Gehwegsanierung an der Leipziger Straße
Mitte. Im April startet nach jahrelangen Diskussionen die komplette Erneuerung des maroden Gehwegs nördlich der Leipziger Straße zwischen Spittelmarkt und Charlottenstraße. Doch die Sanierung ist kein normales Pflasterprojekt. Um die 1981 gepflanzten 47 Platanen und Ahorne zu erhalten, bekommen die Bäume eine aufwändige Wurzel-OP mit anschließender Baum-Reha.
Auf der 80 Meter langen Teststrecke am Spittelmarkt hat Landschaftsarchitekt Udo Dagenbach im vergangenen Jahr probiert, ob die geplante Operation funktioniert. Sein Ergebnis nach der Wurzel-OP an den ersten Platanen: Funktioniert, kann man so machen.
Die Gehwegsanierung auf der nördlichen Leipziger Straße ist alles andere als "schnell mal ein bisschen Pflaster verlegen". Weil sich der Senat nach der Empfehlung von Berlins "Baumpapst" Professor Hartmut Balder vom Institut für Stadtgrün für den Erhalt der 1981 gepflanzten Platanen entschieden hat, muss ein hoher Aufwand betrieben werden. Balders Fazit: Die Wurzeln sind intakt, die Bäume vital und stehen noch mehr als 100 Jahre. Allerdings müssen die Pflanzenexperten bei jedem Baum wie Chirurgen vorgehen, um die Wurzeln vorsichtig freizulegen und sie mit denen der rund 200 Sträucher zu entflechten, die in den maroden Hochbeeten wuchern.
Ein Paradies für Ratten
Das Problem: Die Hochbeete wurden zu DDR-Zeiten erst Jahre später um die Bäume gebaut. Dazu wurde einfach Erde auf die Platten geschüttet. Die Baumwurzeln haben sich deshalb ihren Weg oberhalb der alten Gehwege und darunter gesucht. Im Laufe der Zeit haben die armdicken Wurzeln Gehwegplatten und die Hohlsteine der Hochbeete hochgedrückt. Der marode Boulevard wurde mit seinen Hohlräumen so ein Paradies für Ratten. Anwohner ekeln sich vor der Rattenplage und beklagen seit Jahren den Zustand der nördlichen Leipziger Straße.
Die Hochbeete kommen jetzt weg. Zukünftig gibt es modellierte Pflanzhügel mit Stauden um die Bäume. Und das ist das Besondere an dem „Wurzelkrimi“, wie Udo Dagenbach die aufwändige Sanierung nennt: Jeder Erdhügel sieht anders aus, weil sich die Spezialisten immer an der Wurzel entlang hangeln. Über jede Wurzel kommen mindestens 20 Zentimeter Mulch und Spezialsubstrat. Durch die Baum-OP und das exakte Arbeiten Baum für Baum variieren auch die Gehwegkanten auf dem gesamten Abschnitt.
Reha statt Fällung
Wie Landschaftsarchitekt Udo Dagenbach sagt, hat es einen solchen Aufwand für Bäume wie in der Leipziger Straße in Berlin noch nicht gegeben. Er freut sich über „ein neues Denken“. Viel billiger wäre gewesen, die 15 Meter hohen Platanen zu fällen und neue, bis vier Meter hohe zu pflanzen. Jetzt haben die geretteten Platanen die Chance, noch mindestens 100 Jahre zu wachsen. Damit sie sich gut entwickeln, kommen sie alle in die „Baum-Reha“, so Dagenbach. Er meint damit, dass die Erdhügel ein Spezialsubstrat bekommen, das die Bäume bestens mit Wasser und Bodenluft versorgt.
Der Senat investiert für die Sanierung der 600 Meter langen Nordseite der Leipziger Straße eine Million Euro aus dem Plätzeprogramm. Im April soll es losgehen und wird sich bis Anfang 2018 hinziehen – auch deshalb, weil die Wasserbetriebe und die Telekom in diesem Zusammenhang dutzende Leitungsschächte sanieren müssen. Im Februar werden die drei Meter hohen Sträucher in den Hochbeeten bis auf die Stubben zurückgeschnitten. Das geht schnell und ist jetzt notwendig, damit keine Vögel darin nisten können. Der komplizierte Eingriff beginnt im April, wenn die Hochbeete entfernt werden und Spezialisten jede einzelne Strauchwurzel aus dem Wurzelgeäst der Platanen entwirren. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.