Sportplatz der Spione
BND-Zentrale: 3200 Agenten arbeiten in der neuen Geheimdienstburg an der Chausseestraße
Über zwölf Jahre nach der Grundsteinlegung eröffnet Bundeskanzlerin Angela Merkel am 8. Februar die neue BND-Zentrale. Die meisten Schlapphüte arbeiten schon seit Sommer in der Geheimdienstburg.
Hohe Zäune, überall Kameras, tief verankerte Poller am Straßenrand – das Areal an der Chausseestraße, direkt am einstigen Grenzübergang, ist eine Festung. In dem gewaltigen Bürokomplex werten derzeit 3200 Geheimdienstler nachrichtendienstliche Informationen aus. 800 weitere Geheime werden in den kommenden Monaten ihre Horchposten beziehen. Die Bruttogrundfläche des Bürogiganten entspricht mit 260 000 Quadratmetern der Größe von 36 Fußballfeldern. Ein sportliches Bauvorhaben, das knapp 1,1 Milliarden Euro Baukosten verschlungen hat. Anfangs waren 720 Millionen Euro veranschlagt. Zu den Baukosten kommen rund 300 Millionen Euro, die der BND für Umzug und technische Ausstattung der 5200 Räume und Büros bezahlt.
Sportlich ist auch die Geschichte des Grundstücks, das sich die Bundesregierung für ihre Auslandsagenten ausgesucht hat. Dort trainierten vor mehr als 100 Jahren die Soldaten des Garde-Füsilier-Regiments. Auf dem zehn Hektar großen Gelände der neuen BND-Zentrale stand später das Polizeistadion, das 1950 durch das Walter-Ulbricht-Stadion ersetzt und nach seiner Rekonstruktion 1973 anlässlich der Weltjugendfestspiele in Stadion der Weltjugend umbenannt wurde. Es war die größte Sportstätte in Ost-Berlin. Das Stadion der Weltjugend wurde 1992 abgerissen.
Berlin wollte auf dem Areal für seine Bewerbung um die Olympischen Spiele 2000 eine Mehrzweckhalle mit 20 000 Sitzplätzen sowie Büros und Wohnungen bauen. Nach der gescheiterten Olympiabewerbung gab es Pläne für ein autofreies Wohngebiet. Dazu gab es 1995 einen städtebaulichen Wettbewerb. Realisiert wurde das Wettbewerbsergebnis nie. Bevor die Bagger das riesige Bauloch für die BND-Burg aushoben, konnten Golfer auf der freien Fläche jahrelang Abschläge üben. Im Norden, wo bereits seit 2014 rund 170 Mitarbeiter in der Technik- und Logistikzentrale arbeiten, hatte die Volleyballanlage Beach Mitte ihre ersten Felder.
Zweitgrößtes Gebäude Berlins
Das Gesamtkonzept für die Geheimdienstburg stammt vom Architekten Jan Kleihues. Der Komplex ist mit 283 Metern so lang wie ein Flugzeugträger und nach dem Flughafen Tempelhof das zweitgrößte Gebäude Berlins. Die Häuser sind 150 Meter breit und 30 Meter hoch. Von oben sieht man, wie sich der Betonkoloss in das Wohngebiet presst. Eine Drogerie, Bäcker und Edeka-Markt im Luxus-Wohnhaus „Sapphire“ vom amerikanischen Star-Architekten Daniel Libeskind direkt gegenüber dem BND-Haupteingang profitieren von den Spionen, die zum Essen und Einkaufen kommen. Auch der Deutsche Jagdverband hat im Haus gegenüber seine Büros.
An der Ecke Chausseestraße und Habersaathstraße steht die BND-Schule mit Internat (110 Appartements). Im gemeinsamen Ausbildungszentrum des BND und des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) lernen etwa 100 Schüler das Agentenhandwerk. Dazu stehen modernste Werkstätten und Chemielabore zur Verfügung. Offiziell trägt die Agentenschule den Namen Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF). Bisher konnten Spione nur an der Bundeswehruni in München den Studiengang Master in Intelligence and Security Studies belegen; jetzt wird in Mitte gelehrt, wie man Cyberattacken abwehrt und Terroristen das Handwerk legt.
In dem Backsteinbau soll auch das BND-Besucherzentrum in diesem Jahr eröffnen. Auf zwei Etagen gibt es eine Ausstellung zur Geschichte des BND und seinen aktuellen Aufgaben. Derzeit können nur angemeldete Besuchergruppen von Bundestagsabgeordneten an Führungen teilnehmen. Für Spontanbesucher ist das Besucherzentrum wegen notwendiger Sicherheitsumbauten erst ab 2021 geöffnet. Dort wird es auch Merchandising-Artikel wie Tassen oder Kugelschreiber im BND-Shop geben. Wie zu hören ist, wurde eine Unterwäschekollektion mit der Aufschrift top secret wieder aus dem Programm genommen.
Koloss aus Beton und Stahl
Insgesamt werden in Deutschlands Geheimdienstzentrum 4000 Agenten arbeiten. Der Großteil der Geheimdienst-Mannschaft, etwa 2000 BND-ler, arbeitet seit Jahren auf dem alten Kasernengelände am Gardeschützenweg in Lichterfelde. Die meisten schnüffeln jetzt im Citybezirk. Den Standort in Lichterfelde behält der BND vorerst. Aus der bisherigen BND-Zentrale in Pullach bei München mussten über 1000 Geheimdienstler an die Spree umziehen. In Pullach und anderen Standorten in Bayern bleiben jedoch etwa 1500 Mitarbeiter der technischen Aufklärung. Insgesamt sind beim Bundesnachrichtendienst mit den Außenstellen auf der ganzen Welt rund 6500 Agenten beschäftigt.
Der BND-Neubau ist ein gigantischer Bürokomplex. Die Bruttogeschossfläche entspricht der Größe von 36 Fußballfeldern. Für die Agentenburg wurden 135 000 Kubikmeter Beton, 20 000 Tonnen Stahl, 14 000 Fenster, 12 000 Türen, 20 000 Kilometer Glasfaserkabel und 10 000 Kilometer Kupferkabel verbaut. Beim Umzug mussten die Spediteure rund 58 000 Möbelstücke und rund 100 000 Umzugskartons in die Büros schleppen.
Beim Bau hatte es immer wieder Pannen gegeben. 2015 waren stundenlang Hunderttausende Liter Wasser bis in die Keller durch die Etagen gesickert und hatten einen Millionenschaden verursacht. Unbekannte hatten in den oberen Stockwerken der 30 Meter hohen Büroriesen Wasserhähne geklaut. 2012 mussten etliche Kilometer Lüftungsrohre wieder rausgerissen werden, weil sie fehlerhaft eingebaut waren. Ein Jahr zuvor wurde bekannt, dass auf der hermetisch abgeriegelten und streng bewachten Baustelle geheime Baupläne geklaut wurden. Detaillierte Infos zum BND-Neubau unter http://t1p.de/46lk. Die neue Website des Bundesnachrichtendienstes mit vielen Informationen: www.bnd.bund.de
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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