"Pfusch können wir uns hier nicht leisten"
Covivio legt Rettungskonzept für U2-Tunnel vor
Die Sanierung des Tunnels der U2 soll im März beginnen. Der Pendelverkehr läuft bis August weiter. Erst dann soll die U-Bahn am Alexanderplatz wieder normal fahren, so der Plan. Das Anheben des abgesackten Tunnels ist technisch aufwendig. Die Kosten liegen bei etwa zehn Millionen Euro.
Das Rettungskonzept für den Tunnel am U-Bahnhof Alexanderplatz liegt jetzt vor. Mit einem aufwendigen Verfahren soll das abgesackte Bauwerk unter dem Alexanderplatz ab März saniert werden. Ziel sei es, den „Vollbetrieb der U2 ab August wieder aufnehmen zu können“, sagte Mobilitätsstaatssekretärin Meike Niedbal (Grüne). Saniert wird bei weiterlaufendem Pendelverkehr. Ein Neubau des U-Bahntunnels ist laut BVG nicht nötig.
Der Verkehr auf der U2 am Alexanderplatz ist bereits seit Oktober eingeschränkt. Das französische Immobilienunternehmen Covivio baut dort ein Hochhaus mit Zwillingstürmen. Dicht neben der Baugrube verläuft der U-Bahn-Tunnel, der während der Bauarbeiten wie berichtet um einige Zentimeter absackte. Die BVG sperrte daraufhin ein Gleis. Seitdem fährt die U2 zwischen Senefelderplatz und Klosterstraße im Pendelbetrieb, und auf der Hochhausbaustelle ruhen die Arbeiten.
Nun, vier Monate später, stellte Covivio sein Instandsetzungskonzept für den Tunnel bei einer Pressekonferenz mit BVG, Senatsmobilitätsverwaltung und dem Bezirksamt Mitte vor. Das Konzept werde in den nächsten fünf Wochen „schnell und sorgfältig“ geprüft, kündigte Niedbal an. Gerechnet wird mit einer Bauzeit von etwa fünf Monaten. Weitere Sanierungsarbeiten könnten dann voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, bevorzugt nachts. „Für uns ist es von höchster Priorität, den Tunnel wieder in die alte Position zu bringen“, sagte Daniel Frey von Covivio. Dass es Monate bis zu einer Lösung gedauert habe, liege an der Komplexität der Sache. „Wir wollen es ordentlich machen“, so der Vorstandsvorsitzende. „Pfusch können wir uns hier nicht leisten.“
Laut Konzept soll das unterirdische Bauwerk mit einer sogenannten Hebungsinjektion aus Flüssigzement saniert werden. Zunächst wird der Boden unter dem Tunnel verfestigt. Danach werden in zwei Lagen 56 Injektionslanzen auf einer Fläche von 16 Mal 45 Metern eingeführt, wie Andreas Tichay von Covivio anhand von Visualisierungen erläuterte. Durch die etwa sechs Zentimeter schmalen Rohre fließt dann der Zement ins Erdreich. So entsteht unterirdisch in gut fünf Monaten ein fester „Hebungskörper“, der den abgesackten Tunnel wieder nach oben in die richtige Lage drücken soll. Zusätzlich wird die Wand der Hochhaus-Baugrube mit Stahlankern stabilisiert. Erfahrungen mit dieser hoch komplexen Hebungstechnik hat die BVG nicht. „Wir gehen aber davon aus, dass es zu 99,89 Prozent klappen wird“, sagte BVG-Vorstand Rolf Erfurt auf Nachfrage. Der Hebungskörper soll bis 2026 oder 2027 erhalten bleiben, bis das benachbarte Hochhaus steht, informierte Daniel Frey. Die Fertigstellung des Hochhauses verzögert sich um zehn Monate.
Die Kosten für die Sanierung des U-Bahn-Tunnels schätzte Staatssekretärin Niedbal auf „unter zehn Millionen Euro“. Covivio geht demnach in Vorkasse. Außerdem zahlt der Investor der BVG täglich eine Vertragsstrafe, die „richtig schmerzt“. Wobei die Schuldfrage abschließend noch nicht geklärt sei. „Grundwasser, Baugrube, Stützwand oder Gründung? Über die Ursachen des Schadens möchte ich nicht spekulieren“, so Daniel Frey. Man wolle die Prüfung abwarten. Die Senatsverwaltung hatte Covivio aber bereits als Schadensverursacher ausgemacht.
Folgen für den Bau der anderen Hochhäuser am Alexanderplatz, etwa für das 134 Meter hohe Hochhaus von Signa, hat die Tunnelabsackung aber offenbar nicht. „Nur weil der Baugrund schwierig ist, können wir nicht eine ganze Stadt in den Dornröschenschlaf legen“, sagte Daniel Frey. Und auch Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) äußerte sich ähnlich. Stichwort Berliner Urstromtal. „In der Nähe eines Flusses in die Tiefe zu gehen, ist immer schwierig“, so Gothe. Am Hauptbahnhof genauso wie am Alexanderplatz oder der Mercedes-Benz-Arena, wo gerade zwei Hochhäuser gebaut und ein drittes geplant werden. Dennoch brauche es für die weitere Bebauung am Alex „gründliche Prüfungen, klare Vereinbarungen und verlässliche Partner“, so Gothe. Bei dem Covivio-Projekt hatte es mit der Baugenehmigung eine sogenannte nachbarschaftliche Vereinbarung zwischen dem Bauherrn und der BVG gegeben. Die sei bisher aber nicht obligatorisch, so Meike Niedbal. „Was das Risiko birgt, dass statt einer raschen Schadensbehebung äußerst langwierige Prozesse zur Haftung und Beweisführung entstehen.“ Die Lehre: Ihre Verwaltung will sich künftig dafür einsetzen, dass solche Abmachungen zur Pflicht werden, wenn Bauprojekte der BVG-Infrastruktur zu nahe kommen.
Derweil arbeitet die BVG daran, es den Fahrgästen der U2 leichter zu machen. Am Senefelder Platz und an der Klosterstraße seien die Umsteigezeiten besser aufeinander abgestimmt worden, sagte Rolf Erfurt. Um die Wartezeit zu verkürzen. Dort fahren die Pendelzüge normalerweise im 15-Minuten-Takt. Die Idee, die U2 statt bis zum Senefelder Platz eine Station weiter zum Rosa-Luxemburg-Platz fahren zu lassen, habe man aus „leitungstechnischen Gründen“ verwerfen müssen. Dazu will die BVG den Verkehr auf der Straßenbahnlinie M1 zwischen Pankow und Mitte ab April vom 7,5-Minuten-Takt auf fünf Minuten verdichten. Viele Fahrgäste der U2 weichen inzwischen auf die M1 aus, um schneller voranzukommen. Voraussetzung für den neuen Takt sei aber, so Erfurt weiter, dass die Straßenbahn den Engpass Pankower Tor leichter passieren kann, was wiederum zu Einschränkungen beim Auto- und Busverkehr führen könnte.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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