"Belastungsgrenze ist erreicht"
Großbauprojekt Mühlendammbrücke geht im Dezember los

Die Mühlendammbrücke aus Hennigsdorfer Spannstahl.  | Foto: SenUVK
7Bilder
  • Die Mühlendammbrücke aus Hennigsdorfer Spannstahl.
  • Foto: SenUVK
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Die Zeit der alten Mühlendammbrücke läuft ab. Im Dezember geht es mit dem Rückbau und Ersatzneubau los. Fünf Jahre müssen Fischerinsel und Nikolaiviertel die Großbaustelle aushalten. Für den Verkehr bleibt die Brücke aber offen.

Arne Huhn sagt es deutlich. „Der Zustand der Mühlendammbrücke wird schlechter.“ Erst vergangene Woche sind neue Risse gemeldet worden. Noch kein Grund, die wichtige Autobrücke (B1) vom Molkenmarkt rüber zur Fischerinsel sofort zu sperren. „Aber wir sind froh, dass es jetzt losgeht.“

Was der Referatsleiter „Brücken“ bei der Senatsverkehrsverwaltung meint, ist der lange geplante Ersatzneubau der Brücke, der mit dem Rückbau beginnt. „Rückbau“, nicht Abriss, darauf legen die Experten Wert. Denn die Mühlendammbrücke wird nicht in einem Stück weggesprengt oder zertrümmert, sondern Schritt für Schritt abgetragen. Losgehen soll es damit im Dezember. Aktuell werden noch die Bestandsleitungen verlegt. Der Brückenteil in Richtung Alexanderplatz (Ost) ist zuerst an der Reihe. Das dauert bis 2027. Solange rauscht der Verkehr einspurig in jeder Richtung über den westlichen Brückenteil (Fahrtrichtung Potsdamer Platz). „Danach drehen wir alles auf die andere Seite“, so Arne Huhn. Abbruch und Neubau ziehen sich hier dann nochmal zwei Jahre hin.

Die neue Mühlendammbrücke.  | Foto:  Arup/Cobe
  • Die neue Mühlendammbrücke.
  • Foto: Arup/Cobe
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Eigentlich sollte die Spreebrücke auf der Leipziger Straße während der gesamten Bauzeit gesperrt und die 74 000 Autofahrer, die sie täglich passieren, über die Spandauer Straße, Rathausstraße und Breite Straße umgeleitet werden. Doch es kommt anders. „Wir werden keine Umleitungsstrecke ausschildern“, verkündet Arne Huhn die taufrische Neuigkeit. „Denn wir haben kein Platzproblem.“ Selbst zwei Lkw könnten auf der Brücke problemlos nebeneinanderstehen, aus Gründen der Statik allerdings auch nicht mehr. „Und das ist gegeben“, bestätigt der Referatsleiter. Während der zwei Bauphasen, die sich in mehrere Baulose, Bauabschnitte und Teilbauphasen gliedern, wird die Brücke rund um die Uhr überwacht. „Wir werden beobachten und auf mögliche Probleme schnell reagieren“, verspricht Huhn. Für den Fall, dass sich der Zustand der Brücke rapide verschlechtert, haben die Planer einen Plan B in petto: die Umleitung über die Rathausstraße.

Brückeningenieure haben schon vor Jahren berechnet, dass die achtspurige Mühlendammbrücke von 1968 unter der täglichen Autolast ächzt. In der Folge wurden die Fahrspuren verengt. Von einem Komplettabriss war anfangs aber nicht die Rede. Doch dann stellten die Ingenieure bei einer Überprüfung der Elsenbrücke in Treptow Mitte 2018 einen 25 Meter langen Riss im Beton fest und man entschied sich auch für den Brückenneubau am Mühlendamm. Denn die Mühlendammbrücke ist exakt die gleiche Baukonstruktion wie die marode Elsenbrücke. Die beiden Stahlbetonbrücken sind die einzigen ihrer Art in der Stadt. Und bevor es zu Rissen kommt, sollte die Spreebrücke weg. Im August 2021 stand dann der Siegerentwurf für die neue Mühlendammbrücke fest. Er stammt aus der Feder des Berliner Ingenieurbüros Arup Deutschland und der Architekten von Cobe A/S aus Kopenhagen. Ein Jahr später überarbeitete die Senatsverwaltung jedoch die Pläne – wegen recht massiver Kritik von Anwohnern, Initiativen und dem Bezirksamt Mitte. Im Fazit wird der Ersatzneubau mit 38,3 Metern gut sechs Meter schmaler, wie Arup-Projektleiter Robert Meyer informiert. Die mittleren Fahrspuren auf der Brücke sollen Autofahrer solange nutzen können, bis die zweigleisige Straßenbahntrasse vom Alexanderplatz bis zum Kulturforum fertig ist. Danach soll der Autoverkehr zugunsten von Radfahrern und Fußgängern langfristig auf eine Fahrspur pro Richtung reduziert werden. Bis die Straßenbahn da ist, fahren BVG-Busse auf der Strecke. Beidseitig der Brücke führen außerdem ein Radweg und ein Gehweg entlang. Pflanztröge und lange Sitzbänke trennen die beiden. Laut Meyer ist der Fußweg leicht abgesenkt. „Der Blick zur Spree bleibt aber erhalten.“ An beiden Brückenenden kommt man runter zum Wasser.

Ab Dezember wird die Mühlendammbrücke in zwei Bauphasen abgetragen. 2029 soll die moderne Ersatzbrücke stehen.  | Foto:  Ulrike Kiefert
  • Ab Dezember wird die Mühlendammbrücke in zwei Bauphasen abgetragen. 2029 soll die moderne Ersatzbrücke stehen.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Bis 2029 soll die neue Mühlendammbrücke also stehen. Wenn alles gut geht. In fünf Baujahren kann viel passieren. Das weiß auch Arne Huhn. „Einschränkungen werden wir nicht wegdichten können.“ Mit „Einschränkungen“ meint er den beengten Platz für die Baustellen, Lkw und Kräne. „Wir werden daher so viel wie möglich über die Spree abtransportieren.“ Auch darum läuft der Abbruch über den Winter, weil da nicht mehr so viele Touristenschiffe unterwegs sind, die direkt unter der Brücke wenden.

Von den „Einschränkungen“ sind aber auch viele Anwohner betroffen, die am Mühlendamm oder am Spreeufer wohnen, an der Poststraße, Breiten Straße und auf der Fischerinsel. Ein Ingenieurbüro kümmert sich zwar um die Dokumentation, falls während der Bauzeit Schäden an einzelnen Häusern entstehen und für die Mieter sind zwei Ansprechpartner organisiert, die als „Brückenläufer“ Fragen beantworten und Hinweise aufnehmen. Doch viele Anwohner beruhigt das nicht. Sie erwarten deutlich mehr Durchgangsverkehr, Lärm, Dreck und Abgase. „Erst die U-Bahn und der Molkenmarkt, dann der neue Park auf der Fischerinsel und jetzt die Mühlendammbrücke. Wir kommen aus den Baustellen nicht mehr raus“, beschwert sich ein Mann beim Planerteam. „Fünf Jahre Bauzeit für die Brücke, das ist fast ein Grund hier wegzuziehen“, sagt eine Anwohnerin von der Fischerinsel. Und ein Geschäftsmann aus dem Nikolaiviertel ist verärgert: „Unsere Belastungsgrenze ist erreicht. Wir bekommen vom Vermieter ja nicht mal Schallschutzfenster.“ Und nach dem mittlerweile rund 80 Millionen Euro teuren Mühlendammbrückenprojekt soll es gleich mit der Neuen Gertraudenbrücke und der Spittelmarktbrücke weitergehen.

Direkt unter der Mühlendammbrücke ist die Wendeschleife für kleinere Ausflugsdampfer.  | Foto: SenUVK
  • Direkt unter der Mühlendammbrücke ist die Wendeschleife für kleinere Ausflugsdampfer.
  • Foto: SenUVK
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Arne Huhn kann die Sorgen verstehen. „Wir müssen da alle durch. Aber ich kann Ihnen zusichern, wir gucken regelmäßig nach dem Rechten, bessern nach und passen Baumaßnahmen wenn nötig an.“ Und die erlaubte Bauzeit montags bis sonnabends von 7 bis 21 Uhr würden die Firmen ganz sicher nicht über den gesamten Zeitraum ausreizen. Für die Mieter ein schwacher Trost. „Wir hätten die Autobrücke ersatzlos abreißen sollen“, sagt ein Mann. „Diese Chance haben wir verpasst.“

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 282× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 414× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 139× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 278× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.