Kneipensterben an der Karl-Marx-Allee
Mit dem Alberts schließt das letzte Restaurant in den Pavillons
Das Alberts im Pavillon der legendären Mokka-Milch-Eisbar neben dem Kino International ist Geschichte. Anwohner ärgern sich über das Kneipensterben.
Ralf Rohrlach wollte gerade Plätze für den Brunch bestellen, doch die Türen vom Alberts in der Karl-Marx-Allee 35 waren zu. Im Schaufenster und mittlerweile auch auf der Internetseite des Restaurants steht: „Aus, Schluss und vorbei. Nach 26 Jahren schließt das Alberts Berlin für immer seine Türen“. Nach der Schließung der Bar Babette gegenüber verliert der Kiez seinen letzten Ort, wo man nach einer Sitzung im Rathaus oder einem Film im benachbarten Kino International abends noch einen Absacker trinken kann.
Das Alberts im Anfang der 1960er-Jahre gebauten Pavillon – zu DDR-Zeiten kultiger Treffpunkt der Jugend in der legendären Mokka-Milch-Eisbar – hatte auch Ostgerichte wie Ragout fin vom Kalb, Kalten Hund, Wurstgulasch oder Steak au four auf der Speisekarte.
Mieter beklagt "Willkür des Senats und des Eigentümers"
Laut Aushang macht der Betreiber das Straßenchaos vor der Tür verantwortlich für das Aus. Die Karl-Marx-Allee ist seit etlichen Monaten Megabaustelle. Seit ein paar Wochen ist auch kein Platz mehr für Tische auf dem Gehweg. Direkt vor dem Eingang wühlen Bagger in der Erde. „Gegen die Willkür des Senats und des Eigentümers haben wir keine Chance mehr. Die Karl-Marx-Allee wird saniert und zum Prestigeobjekt des Bezirks ausgerufen. Langjährige Mieter und Gastronomen haben hier anscheinend nichts mehr verloren und werden vertrieben. Es ist eine Schande“, schreiben die Alberts-Betreiber.
Dass der Senat an dem Kneipen-Aus schuld sein soll, ärgert Henrik Vierarm von der Senatsverkehrsverwaltung. Der Straßenbauchef betont, dass seine Behörde dem Mieter stets entgegen gekommen ist. „Die Zugänglichkeit auf der Terrasse haben wir so lange wie möglich gewährt“, so Vierarm.
Alberts-Betreiber Sven Eckardt gibt auch dem Vermieter die Schuld, „der nun ein weit besseres Geschäft wittert“. Laut Eckardt sollen im Pavillon Büroräume errichtet werden. Der Eigentümer habe sich nicht mehr an vertragliche Vereinbarungen gehalten. „Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen wurden verweigert“, heißt es.
Diese Vorwürfe weist der Eigentümervertreter Martin Priesnitz von der Münchener Miranda Vermögensverwaltung zurück. „Mängel, die uns angezeigt wurden, haben wir sofort abgestellt. Wir waren aber schließlich zur Kündigung des Mietvertrages gezwungen, nachdem der Mieter seine Miete nachhaltig nicht mehr bezahlte“, so Priesnitz. „Die Gesprächsversuche bestanden lediglich darin, dass der Mieter, der ohnehin aufgeben wollte, von uns für seine Aufgabe eine Abfindung in einer völlig unrealistischen, mehrfach sechsstelligen Höhe forderte, für die wir keinen Anlass sahen“, erklärt der Eigentümervertreter, der sich für „gastronomische Fehlentwicklungen nicht verantwortlich sieht“.
Cafés, Seniorentreff, Büros
Was aus dem Pavillon wird, ist noch unklar. Mieter sind noch der Nachtclub A-Lounge und ein Chinaimbiss. Bei einem Mieter musste der Eigentümer bereits „Sicherheitsmaßnahmen anmahnen“. Die Besitzer wollen das Gebäude „grundlegend und denkmalgerecht sanieren“, so Priesnitz. Dass in dem Pavillon Coworking-Plätze entstehen oder Büros einziehen, will Priesnitz nicht bestätigen. Die Eigentümer haben „über die weitere Nutzung noch nicht entschieden“, sagt er. Sie würden aber „eine kulturelle Nutzung favorisieren“.
Der Pavillon mit der legendären Mokka-Milch-Eisbar, die Thomas Natschinski Ende der 1960er-Jahre durch einen eigenen Song landesweit berühmt machte, ist einer von fünf Pavillons des sogenannten zweiten Bauabschnitts der Karl-Marx-Allee zwischen 1961 und 1964. Insgesamt sollten nach den städtebaulichen Entwürfen von Josef Kaiser elf solcher Pavillons entstehen. Die fehlenden wurden aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr realisiert. Der Senat will in den kommenden Jahren bis zur Einmündung zum Alex nördlich und südlich der Karl-Marx-Allee weitere sechs Pavillons bauen. Bauherr für die maximal zweigeschossigen Pavillons ist die WBM Wohnungsbaugesellschaft. 2018 wurden bereits Nutzungsvorschläge gesammelt. Die Anwohner wünschen sich vor allem Cafés und Restaurants, aber auch Nachbarschaftszentrum, Seniorentreff oder Kinder- und Jugendclub. Bei der Umfrage gab es auch den Vorschlag, in einen Pavillon einen Supermarkt oder Spätkauf unterzubringen. Auch Vorschläge wie Co-Working-Labore oder eine Science-Gallery fanden sich auf den Meinungskarten.
Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) bedauert die Schließung des Alberts, des „letzten gastronomischen Angebots, das wir hier noch hatten“, wie er sagt. Gothe hatte sich 2017 auch für den Erhalt der Bar Babette im 1962 als Kosmetiksalon erbauten Glaswürfel in der Karl-Marx-Allee 36 eingesetzt und den Eigentümer Nicolas Berggruen aufgefordert, seine Entscheidung zu überdenken. Das von Berggruen restaurierte Café Moskau leiste mit seinen „exklusiven geschlossenen Veranstaltungen leider überhaupt keinen Beitrag für das Leben im Quartier“, ärgerte sich seinerzeit der Stadtrat. Mit der Schließung des Alberts ist nun endgültig tote Hose an der Karl-Marx-Allee.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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