Auf Biegen und Brechen
Teurer Fitnessparcours wird Anwohnern weiter als Kinderspielplatz verkauft
Trotz Anwohnerprotesten will das Bezirksamt mit Sondergeldern aus dem Spielplatzsanierungsprogramm einen teuren Fitnessparcours im Nordbahnhofpark bauen.
Noch in diesem Jahr soll das mittlere Trapez, wie Architekt Harald Fugmann die mit einem Metallgeländer eingezäunten Felder nennt, fertiggestellt werden. Die dritte Aktivitätsinsel im preisgekrönten Park am Nordbahnhof, der vor zehn Jahren eröffnet wurde, konnte bisher nicht vollendet werden, weil kein Geld da war. 360 000 Euro hat der Bezirk aus dem Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm (KSSP) der Senatsjugendverwaltung für die „Spielinsel am Nordbahnhof“ beantragt – und bekommen. Auf die gesetzlich vorgeschriebene Kinder- und Jugendbeteiligung bei Spielplätzen ab 50 000 Euro Investition wurde wegen der Eile verzichtet, weil die KSSP-Gelder noch 2019 verbaut werden müssen. Das hätten das Jugendamt und das Straßen- und Grünflächenamt zu dieser Ausnahme bewogen, schreibt Sajid Kramme, Referent der zuständigen Stadträtin Sabine Weißler (Grüne), an Anwohner Andreas Rothämel. Der Vater wünscht sich wie viele andere einen Spielplatz im Park und dass die Kinder in die Planungen integriert werden.
Seit dem die Berliner Woche über die Spielplatzpläne berichtet hat, gibt es Widerstand im Kiez. Doch der Bezirk verkauft den Leuten den Fitnessparcours weiterhin auf Biegen und Brechen als Spielplatz. „Auch wenn das Trapez nicht explizit ein typischer Kleinkinderspielplatz ist, ist es für Kleinkinder nutzbar. Dies entspricht den Förderbedingungen und wurde von der Senatsjugendverwaltung bestätigt“, so Kramme an Nora Erdmann von der Kiezinitiative Grüne Schleife. Die Planer mussten eine Gestaltung finden, „die dem urhebergeschützten Entwurfskonzept entspricht“, so Kramme.
"Schweinebaumel" verärgert Eltern
Gebaut wird eine 400 Quadratmeter große Aktionsinsel mit metallenen Zugangsstegen – analog der Gestaltung der zwei vorhandenen Trapeze. In dem Geviert gibt es drei „Freizeitsportgeräte“ aus Stahl: Dehnstation, Doppelbarren, Hangelleiter. Dazu fünf kleine Betonelemente (Bubbles) als „Sitz- oder Hüpfelement“, steht im Konzept. Die Bubbles können „beklettert, besprungen und je nach Lust und Laune belagert werden und sind klein genug, dass auch kleine Kinder sie nutzen können“, schreibt Sajid Kramme. Und weiter: „Die ausgewählten Geräte machen einen gelungenen Spagat zwischen allen Bedürfnissen und Rahmenbedingungen. Sie wurden im Sinne des Entwurfskonzepts bewusst einfach gehalten.“
„Wegen der Einfachheit könnten Personen ohne eigene Kinder mitunter Fehlinterpretationen unterliegen. Viele werden sich aber eventuell auch an die sogenannte Schweinebaumel aus der eigenen Jugend erinnern, für die es nicht mehr als einer Stange oder eines Recks bedurfte“, schreibt Kramme an Nora Erdmann. „Viele Senioren und Großeltern werden sich aber eventuell bestimmt noch an die sogenannten Klammotten (Steine) erinnern, mit denen sie 1945 gespielt haben“, sagt dazu Anwohner Andreas Rothämel. Budgets derartiger Höhe und ohne Anwohnerbeteiligung seien mit Argumenten wie Schweinebaumel nur schwer zu erklären, findet der Familienvater.
Die Schweinebaumel-Mail von Weißlers Referent bringt viele Anwohner auf die Palme. „Mit Wut erfahre ich, dass die Kinder am Nordbahnhof wieder leer ausgehen sollen“, so Anwohnerin Astrid Bötticher. Sie könne mit ihren Kindern nur auf die private Beachvolleyballanlage gehen, weil es dort „den einzigen vernünftigen Spielraum für Kinder gibt“. Die Umwidmung der Spielplatzgelder für eine weitere Fitnessfläche sei illegal, so Böttcher.
Gefahr für Kleinkinder
Anwohnerin Thao Ly sieht in der geplanten Fitnessfläche keinen Mehrwert für Kinder. Die sogenannten Bubbles gebe es bereits in den anderen Trapezen. Die Betonhuckel seien im Sommer für Kleinkinder nicht nutzbar und gefährlich, weil sich die Kleinen darauf verbrennen. Denn auf den Trapezen gibt es keine Beschattung, weshalb Eltern die vorhandenen Bereiche mit Minirutsche und Minitrampolin kaum nutzen. „Die Kinder, Eltern und die Kitas wurden nicht nach ihren Bedürfnissen gefragt“, ärgert sich auch Anwohnerin Anett Keidel.
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte im Juni beschlossen, den „Park am Nordbahnhof mit vielen Beteiligten weiterzuentwickeln“. Ziel solle „eine erhöhte Aufenthaltsqualität für alle Alters- und Nutzungsgruppen sein“, heißt es in dem Beschluss (Drucksache 1735/V). „Es herrscht Einigkeit im Ausschuss, dass die Planungen an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden müssen“, sagt Bastian Roet (FDP), Vorsitzender des BVV-Grünflächenausschusses. „Dies sind vor allen Dingen ein zeitgemäßer Spielplatz mit modernen Spielgeräten und Aufenthaltsmöglichkeiten für die Eltern sowie Sportmöglichkeiten“, so Roet. Als positives Beispiel nennt er die Sport- und Turnfläche im Monbijoupark.
Auf die Frage der Berliner Woche, ob es noch Änderungen am Konzept geben wird, antwortet Bezirksamtssprecher Christian Zielke: „Nein, denn die Planungen wurden durch das Jugendamt, Fugmann-Janotta und das Straßen- und Grünflächenamt gemeinsam verhandelt“. Bastian Roet ärgert sich, dass Stadträtin Sabine Weißler „die Position des Ausschusses nicht berücksichtigt“. Sollten hier Fakten geschaffen werden, „werde ich als Verordneter und Ausschussvorsitzender die mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen“, so der FDP-Mann.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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